Texte von gestern: ►Die totale Reinheit
►Deutschland feiert sich selbst
►Monolog einer Bamf-Frau ►„Und die SPD-Frauen, die werde schier
platze vor Neid!“ ►Das Kopftuch der
Grünen ►Endlich! Eine frohe
Deutsche ►Schmerzensmann bin
Laden
►Das Fernsehen
schafft das Bild ab ►Eine Frau reicht doch ►Unter Lindenblüten an
der Elbe ►Schuld allein ist
nur der Feminismus ►Das Alter ist im
Kommen ►Immer bereit! (Pionier-Gruß) ►Der Mann in der Lücke “Wo immer in der Welt unliebsame Tatsachen diskutiert werden, kann man häufig beobachten,
daß man ihre bloße Feststellung nur darum toleriert, weil dies von dem Recht zur freien Meinungsäußerung
gefordert werde, daß also, halb bewußt und halb ohne dessen auch nur gewahr zu werden, eine Tatsachenwahrheit in eine Meinung verwandelt wird.” (Hannah Arendt, 1963 aus „Wahrheit und Politik“) „Vielen
fundamentalistischen Bewegungen fehlt die
Einsicht, daß der männliche
Körper und
seine gesellschaftliche Funktion das
Produkt einer symbolischen
Zuschreibung und
nicht Ausdruck einer
‚natürlichen Ordnung‘ ist.“ (Christina von Braun) „Trotzdem
versuche ich, immer noch Ordnung in
meine Gedanken zu
bringen und aus
dem Verworrenen ein
Bild der Zeit zu
schaffen, was
ja meine
Aufgabe ist.“ (Der Maler Ernst Ludwig Kirchner um 1916) „Ich
selbst war und bin keine Feministin.“ (Gesine
Schwan) |
Die totale Reinheit Eine enorme
Gereiztheit plagt die deutsche Gesellschaft, und diese Gereiztheit kreist um
einen Bezugspunkt. Die AfD. Man ist entweder wie die AfD, das ist schlecht,
oder man ist nicht wie die AfD, das ist gut. Dabei geht es am allerwenigsten
um diese kleine rechtskonservative, nationale Partei, die eben der
Gereiztheit ihren Zuwachs verdankt. Vielleicht geht es um den Versuch, in einer Epoche
des nach Westen wandernden und im Westen sich verbreitenden Islam, zu Hause
im christlichen Abendland verzweifelt und verbissen Ordnung zu schaffen durch
radikale Schuldzuweisung und öffentliche Anklage. Das alles womöglich nicht
von ungefähr, da mit den Flüchtlingen aus der islamischen Welt rigide
Sittlichkeitsnormen Anspruch auf freie Entfaltung erheben. Der Kompaß solcher
Systeme gibt nur zwei Richtungen vor: gut oder schlecht. Cicero-Magazin für politische Kultur März 2018 © Viola
Roggenkamp Geschieht nicht eben die Vergangenheitsbewältigung kolonialen
Erbes und Raubguts in der Kunst, der man sich in den kommenden Jahren mit
finanzieller Förderung des Bundes intensiv widmen will, vor diesem
Hintergrund? Sie ist schon etwas her, die wenig glorreiche
Kolonialherrschaft, und Deutschlands Kaiser mit seinen kleinen Eroberungen
damals war neidisch auf die großen Kolonialmächte Frankreich, England,
Spanien, Niederlande, Portugal, Italien. Welche Spuren hat die Kolonialzeit
in der Kunst deutscher Maler hinterlassen? Rassistische Spuren? Und das Raubgut?
Muß man davon zurückgeben? Jetzt sind diese Fragen dran. Denn kommen nicht
immer mehr von dort und könnten nach ihrem gestohlenen Erbe suchen und Schuld
entdecken? Die Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz will
ab 2019 im neuen Humboldt Forum ihre weltberühmten Sammlungen zeigen aus dem
Museum für Asiatische Kunst und dem Ethnologischen Museum. Manches aus
Afrika wird dabei sein. Das kann man jetzt nicht mehr so einfach vorzeigen.
Das muß moralisch sauber präsentiert werden. Nach Tate Britain machte in
Deutschland Ende vergangenen Jahres die Bremer Kunsthalle den Anfang mit
ihrer Ausstellung „Der blinde Fleck“. Was dort erarbeitet wurde, ist
bedeutend und vieles ist gelungen. Zum wenigsten jedoch die begleitenden
Texte. Sie sind getränkt vom eifrigen Streben, in jedem Pinselstrich
Rassistisches zu entdecken und als bösen Vorsatz zu entlarven. Sogar Werktitel wurden zensiert. Wie es heißt, mit
Rücksicht auf traumatisierte Migranten, die ja im Museum vorbeikommen
könnten. Man säuberte die Sprache, und zwar radikal Buchstabe für Buchstabe.
Aus Anita Rees „Negermädchen“ wurde „Das N****mädchen“. In diesem Konstrukt
bildet sich in absurder, ja, tragischer Weise die Radikalität der
Gutmeinenden ab. N****, unaussprechlich, entmenschlicht, bar jeden Zusammenhangs,
jetzt Träger der Reue reuiger Nichtneger. N****, erschreckend nahe der Nummer
aus einem anderen bekannten historischen Zusammenhang. Das J***Wort ersetzt
man heutzutage durch Zionist, kann ungehemmt antisemitisch bleiben und findet
sich unverdächtig. Für den Neger suchen die Nichtneger noch immer nach einem
für sie selbst schuldfreien Wort. Natürlich werden alle, die das eindrückliche Gemälde
von Anita Ree betrachten und seinen Titel lesen, für jedes Sternchen den
fehlenden Buchstaben einsetzen, weil der Mensch so ist, wie er nun mal ist.
Eingeborener? In Bremen: E***********. Man zähle nur immer nach, daß auch
kein Sternchen fehle. Eingeborene in Papua-Neuguinea porträtierte Emil Nolde
Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Die Aquarelle sind von hinreißender
Intensität, zeigen Kraft, Mißtrauen, Sinnlichkeit. Aber daß Nolde seine
Modelle mit vorgehaltener Waffe malte, sie wären ihm davongerannt oder an die
Gurgel gegangen, das und weitere Details aus seinem Tagebuch dienen in Bremen
dazu, den Maler vernichtend zu stigmatisieren (nur Richard Wagner wird das in
Deutschland nie ereilen). Sogar der Kaffeegenuß damaliger Zeit wird anhand
eines Gemäldes geächtet als gewissenlos im Hinblick auf einstige
Plantagensklaven. Allerdings, was Bremen vorgibt, hält jedem
sogenannten Shitstorm stand. Das wird ein zunehmend wichtiges Kriterium. Der
Aufschrei einzelner, der berechtigt sein kann, vermag per Internet Massen zu
mobilisieren, die vernichtend gegen Menschen oder Kunstwerke vorgehen können,
und auch gegen Institutionen. #MeToo ist dafür das aktuell prominenteste
Beispiel. So droht etwa im Metropolitan Museum in New York dem
Gemälde „Träumende Thérèse“, 1938 gemalt von Balthus, die Deportation in den
Keller. Aufruhr im Internet, Empörung im Fahrwasser von #MeToo. Das Bild
zeigt eine Jugendliche auf einem Stuhl sitzend, das Bein ist aufgestellt,
zwischen den Schenkeln ist die Unterhose zu sehen, das erhitzte Gesicht ist
abgewandt, die Arme sind erhoben, die Hände auf dem Kopf verschränkt, am
Boden daneben schlabbert eine Katze Milch aus einem Tellerchen. Lustvolle Selbstbestimmtheit einer sexuell
phantasierenden Thérèse. Das kann man erkennen. „Sexuelle Ausbeutung einer
Minderjährigen und Voyeurismus“ lautet die Anklage, die auch schon die
Verurteilung ist. So müssen die es sehen, die in dem träumenden Mädchen nur
ein Sexobjekt wahrnehmen können. Abhängen! Dem Blick der Öffentlichkeit
entziehen! Das fordern feministische und studentische Kreise. Es sind die
gleichen Kreise, die für die Freiheit der Burka eintreten, die den
internationalen Boykott Israels propagieren und denen die Palästinenser die
wahren Opfer von Auschwitz sind. Ob man die „Träumende Thérèse“ so oder so sieht,
noch jedenfalls ist das Gemälde zu sehen. Schon stehen einem die Werke von
Egon Schiele vor Augen. Zu betrachten nur in gesonderten Räumen mit
behördlicher Genehmigung? Das kann kommen. #MeTooisten könnten sich zu
Sprecherinnen längst verstorbener weiblicher Modelle aufschwingen. Weil in Berlin Studierende ein an der Hauswand ihrer
Hochschule stehendes Gedicht sexistisch lesen, soll es überpinselt werden.
Säuberungsaktivisten glauben an die totale Reinheit. Es gab sie angeblich
nach 1933. Damals konnte eine deutsche Frau nachts ohne Angst durch die
Straßen gehen. Heute sitzt sie vorm Tivi und sieht Abend für Abend zu, wie
neben der verkohlten Leiche auf dem Seziertisch die Pathologin mit dem
Kommissar vögelt. Eine anschwellende Opfertyrannei reiht sich ein in
den islamischen Furor vor dreizehn Jahren gegen die Mohammed-Karikaturen,
begleitet bis heute von Morddrohungen gegen deren Zeichner. Wie wortreich die
westliche Gesellschaft angeführt von einer Medienmehrheit sich dem wohlfeil
unterwarf und die Pressefreiheit verriet, war schockierend und darf überhaupt
nicht vergessen werden. Nach der Malerei wird die Literatur an die Reihe
kommen. Der Giftschrank für Lolita, Lulu und ihre Schwester Salome könnte
sich wieder öffnen, auch für ihre Brüder aus „Tod in Venedig“ oder „Faust“.
Knabenliebe legte Goethe seinem Mephisto in den Mund, vorsorglich für sich
selbst. Und was ist mit der Zuneigung der Marschallin zu ihrem Mohammed, dem
kleinen Mohr, der ihr und dem Rosenkavalier morgens ans Bett die heiße
Schokolade bringt? Ob heutzutage wohl jede ehrenamtliche Mitvierzigerin frei
ist von solchem Begehren, wenn sie ihren glutäugigen Hussein an die Hand
nimmt und den furchterregend Fremden durch den deutschen Behördendschungel
geleitet? Schicksalhafterweise für Deutschland sind nun diese
Schutzsuchenden völlig ungehemmt in ihrem Judenhaß, erachten Frauenapartheid
sowie Gebärzwang als unverzichtbar richtig, arrangieren Kinderehen, begehen
Ehrenmorde nach islamischem Recht. In Tagesthemen
erklärte ein Therapeut einer verständnisvoll lauschenden Redakteurin
bezüglich der inländerfeindlichen Mordtat eines Migranten an seiner
15jährigen deutschen Freundin, „die Menschen“, gemeint war eine aufgebrachte
Öffentlichkeit, müßten den Muslim „vor dem Hintergrund seiner Kultur“
verstehen. Die guten
Deutschen, so sah es Heinrich Heine, „wandeln mit der Sicherheit eines
Maulesels längs der Abgründe des Zweifels, der Bedenken und der Skepsis,
dabei erfüllt von seliger Zuversicht“. Dagegen sind die schlechten Deutschen
erfüllt von sie beklemmender Besorgnis. Den schlechten Deutschen geht es um
den Erhalt ihres eigenen Sozialsystems. Die guten Deutschen haben Größeres im
Blick, sie wollen Deutschlands wirtschaftspolitische Führungsrolle in ethisch
moralischem, ganzheitlich bewußtem Sinne in der Welt wahrnehmen. Nicht mehr
und nicht weniger. Immer geht es um Macht, immer ums Begehren. Die
Kunst darf darüber niemals schweigen, nicht die Malerei, nicht die Literatur.
Kunst muß auffinden, was nicht zu sehen sein soll. Das hat sie gemeinsam
mit Bedenkenträgern und
Säuberungsaktivisten. Die Kunst aber bleibt an der Seite des Verleugneten,
sie gibt dem Verleugneten Gestalt, Gesicht, Geschichte, sie identifiziert
sich mit der Bedrohung, die dem Verleugneten innewohnt. Was darf Satire, was dürfen Romane heute
thematisieren etwa wenn es um die deutsche Flüchtlingspolitik geht? Oder dürfen
sie überhaupt nicht mehr? Sind sie längst dran, die Texte? Drucken Zeitungen,
drucken Verlage in Deutschland noch, was einer repressiven Toleranz zuwider
läuft? Schriftsteller können in ihren geschützten Rückzugsräumen davon
schreiben, was geschehen kann. Oder ist es schon geschehen? Heutzutage kommt
man als Schriftsteller kaum hinterher. Deutschland am Beginn einer neuen Epoche. Die
Vergangenheit ist sauber bewältigt, Ostdeutschland tipptopp restauriert, die
jüdischen Zeitzeugen sterben einer nach dem anderen weg, muslimische
Migranten sind an ihre Stelle getreten, sehen sich als Verfolgte des
zionistischen Systems, ihre Kinder gestalten deutsche Identität neu, und
nachdem die islamische Befreiungspartei in Berlin versichert hat, daß
Christen außer der Kopfsteuer keine weiteren Steuern zu zahlen brauchen,
trinkt die GroKo Muslimbruderschaft. Dann ist Krieg. Unter der Führung
deutscher Politiker mit arabisch-islamischen Wurzeln, ein Vernichtungskrieg
gegen den Staat der Juden. Nicht auszudenken? Denkbar wäre es. Aber wer druckt
mir das? X X
X X X
X X Deutschland feiert
sich selbst Wäre ein Kanzler gekommen?
Die Kanzlerin kam jedenfalls nicht. Als in der Sylvesternacht in Köln die
Domplatte und das Bahnhofsgelände zu einem rechtsfreien Raum wurden für
Männer, die sich herausnahmen, was sie wollten gegen Frauen, denen die
Polizei nicht zur Hilfe kam, erschien auch noch Tage später Bundeskanzlerin
Angela Merkel nicht in Köln, um sich dort mit den Frauen zu solidarisieren
gegen die anonymen Männerhorden. Die stammten aus dem islamisch-arabischen
Raum, erklärten, von „Mamma Merkel“ eingeladen worden zu sein, und in dieser
Nacht demonstrierten sie den Deutschen, was sie von unserer Zivilisation
halten – nämlich nichts. Wer nicht unmittelbar
betroffen ist, wem nicht die Container für mindestens 500 muslimische
Flüchtlinge vor die Nase gesetzt wurden, der kann sich erheben über die
besorgten Bürger, zu denen übrigens Onkel Ali aus dem türkischen Gemüseladen
nebenan gerechnet werden muß. Hört man ihm zu, so hört man, wovor auch
prominente, deutsche Muslime öffentlich warnen: Vor den faschistischen
Strukturen des Islams, der Unterwerfungskultur, die in den Familien tief
verwurzelt ist, ebenso Frauenverachtung und Homophobie, und völlig normal ist
diesen Menschen ihr anerzogener Judenhaß. Aber diese Kritiker stören, und
ihre Warnungen versacken im Schaumteppich der Selbstzufriedenheit
intellektueller Tonangeber. Cicero-Magazin für
politische Kultur März
2017 © Viola Roggenkamp Minderjährige Mädchen,
nach islamischem Recht verheiratet, schwanger, schon Mütter, sind mit dem Flüchtlingsstrom
gekommen. Diese Ehen verstoßen gegen deutsches Recht. Vollverschleierung
ebenso. Hierzulande vermummt man sich zum Karneval oder zum Banküberfall.
Statt aber diese Familien auszuweisen, regiert Berlin mit der totalitären
Logik der vollendeten Tatsachen. Als könne man nichts dagegen tun. Doch aus
Duldung von Ungesetzlichem wird Gewohnheitsrecht. Man ist beseelt davon, der
Flüchtling, neuerdings sprachlich schöner noch: „der Geflüchtete“, er ist ein
Opfer. Daß hierbei durchaus auch Überheblichkeit das Denken leitet, entgeht
den Gutmeinenden. In diesem Dunst läßt es sich eine Art Betreuungswirtschaft
gutgehen. Juristisch und therapeutisch Geschulte halten Abgeschobene nach
allen Regeln der Kunst über Monate im Land fest. Die Männer, es kamen zu über
80 Prozent Männer, dürfen nicht arbeiten, werden unzufrieden, radikalisieren
sich. Und im Gegenüber zu ihnen wächst Unmut, Wut wächst im Land, auch
häßliche Wut. Die Regierung
Merkel/Gabriel hat in den vergangenen Jahren bei Bildung, öffentlicher Sicherheit,
sozialem Wohnungsbau rigoros gespart. Und auf einmal ist Geld da, auf einmal
braucht man Lehrer, und es kann gebaut werden, wo bauen verboten war. Von den
Kommunen wird auf dem Wohnungsmarkt zu jedem Preis alles angemietet, um
Flüchtlinge unterzubringen. Das befördert nicht den sozialen Frieden, dafür aber die existierende
Wohnungsnot samt Höchstmieten. Um die 3000 gefälschte Flüchtlingspässe wurden
vom Migrationsamt eingezogen. Wurden sie der Polizei ausgehändigt? Ach, i wo.
Durchgewunken. Stillschweigend legitimiert von oben. Um dann auch davon
schweigen zu können, daß aller Mutmaßung nach weit mehr Flüchtlinge mit
gefälschten Dokumenten unentdeckt blieben und bleiben werden. Als gäbe es
nichts zu befürchten. Dieses Deutschland
feiert sich selbst. Wirtschaftsgroßmacht, Fußballweltmacht,
Integrationsmeister. Es kann sich nicht genug darin tun, der Welt zu zeigen,
wie vorbildlich es ist. Beifall kam vom Ausland, Lob kam von Überlebenden der
Schoa. Das war nicht etwa mehr als man zu hoffen gewagt hätte. Ist dies die ersehnte
Idealität? Oder sehen wir das wahnwitzige Nachspiel der
Vergangenheitsbewältigung? In diesem Nachspiel will Deutschland seine
Menschlichkeit beweisen, und siehe da, es ziehen mit dem Islam
Gepflogenheiten ein, die großzügig toleriert werden, obgleich sie
faschistisch genannt werden müssen. Und es scheint völlig egal zu sein, daß
man nebenbei den Boden bereitet für Fanatiker von welcher Seite auch immer. Wenn man bedenkt, was
es uns gekostet hat, da hinzukommen, was heute hierzulande Menschenrecht ist.
Man muß staunen, über die Leichtfertigkeit, mit der Gleichberechtigung
vernachlässigt wird. Die Frauenbewegung rührt sich nicht. Sie ist gesättigt.
Sie befriedigt sich seit Jahren an der Existenz eines CDU-Kanzlers als Frau.
Um die freie Meinungsäußerung könnte es bald auch gehen. Zensur aus Achtung
vor der islamischen Religion. Man könnte in Deutschland ein solches
Entgegenkommen begründen wollen mit dem Niederbrennen der Synagogen in der
Reichskristallnacht 1938. Unwahrscheinlich ist das nicht. Es ist diese
Mittuerei, die dem deutschen Geschichtskörper eingeschrieben ist. Man will es
nett haben miteinander, will nichts falsch machen und fürchtet die große
Gereiztheit der zerspaltenen Gesellschaft. Deutlich empfindlicher als
Westdeutsche reagieren Ostdeutsche auf das Meinungsdiktat einer merkelfrommen
Medienmehrheit und auf diese Kanzlerin-Republik. Sie hält sich für
alternativlos. Ein Wort wie aus dem Sprachschatz der DDR. Es befördert
schleichend die Entdemokratisierung, Seite an Seite mit einer repressiven
Toleranz, die sich das Fremde zum neuen Idol erkoren hat: Deutschland möge
bunter werden, endlich Weltniveau. Darf man sich da wundern, wenn Ämter und
Polizei, in dem Glauben, es richtig zu machen, gravierende Fehlleistungen begehen,
wie sie in der Kölner Sylvesternacht geschahen und wie in deren Folge weitere
Fehlleistungen geschehen sind und folgen werden, ja folgen müssen? Besorgte Bürger
indessen gelten in der Verleugnungskultur der repressiven Toleranz als
islamophob, sind also krank und unbedingt sämtlich den Nazis, Pegida und der
AfD zuzuordnen. Wo Flüchtlinge sich kriminalisieren, Kleinkriege,
Vergewaltigungen, Anschläge stattfinden, spricht man recht großmaulig von
„französischen Verhältnissen“. Deutschland, das ist beständig zu hören, könne
Integration besser als Frankreich, als England. Derweil sehen Lehrer auf eine
3. und 4. Generation deutsch-türkischer Nachkommen, von denen eine nicht zu
vernachlässigende Zahl nichts mehr zu wollen scheint, als sich dem radikalen
Islam zu integrieren. Es muß erklärt werden,
weshalb man in Deutschland heute integrieren sagt und nicht assimilieren.
Assimilierung ist ein Tabuwort, da es ein jüdisches Wort geworden ist. Es
schleppt in sich den Juden von einst. Dem Muslim hingegen wird die Integration
angeboten. Damit ist keine Zwangstaufe verbunden, wie bis ins vergangene
Jahrhundert von Juden verlangt, wollten sie an der Moderne, an Wissenschaft
und Kultur teilnehmen. Und sie wollten, und sie nahmen teil. Das deutschsprachige
Judentum war – mit Hannah Arendt zu sprechen – ein „durchaus einzigartiges
Phänomen, das auch im Bereich der sonstigen jüdischen Assimilationsgeschichte
nicht seinesgleichen hat, das sich unter anderem in einem geradezu
bestürzenden Reichtum an Begabungen und wissenschaftlicher und geistiger
Produktivität äußerte“. Daß es hierzu kam, dafür mußte es Juden möglich sein,
das Ghetto verlassen zu können, in welches das christliche Abendland sie über
Jahrhunderte eingesperrt hatte. Für Teilhabe am öffentlichen Leben, an Bildung
und Wissenschaft, an den Künsten, an Politik verlangte die moderne
Gesellschaft von den Juden Anpassung in der Lebensführung, in Kleidung und
Sprache. Und das wiederum war für Juden, die ihrer Orthodoxie entfliehen
wollten, die willkommene Hilfe. – So sollte es für Muslime in Deutschland
auch sein. Ist das wieder
denkbar? Die Vertreibung der Juden aus Deutschland? Aus Frankreich fliehen
bereits Juden nach Israel. In Frankreich wurden gezielt Juden ermordet von
islamischen Tätern. Die islamisch-arabische Welt wird nicht Ruhe geben,
solange Israel existiert. Wird sich islamischer Judenhaß mit deutschem
Antisemitismus zusammentun? Einvernehmen darüber, auf den Judenhaß der
Muslime Rücksicht zu nehmen, besteht unausgesprochen schon heute. Wo es sich
machen läßt, vermeidet man, die Juden zu erwähnen. Und es läßt sich machen,
es fällt gar nicht auf. Ausgenommen in den zwei, drei jüdischen Blättern gibt
es in den Medien keine Berichterstattung über Hilfe von jüdischer Seite für
Flüchtlinge. Etwa die israelischen Trauma-Experten, die hier
Flüchtlingshelfer schulten. Ohne Personenschutz konnten sie nicht arbeiten. Die Menschlichkeit,
die man in Deutschland jetzt unbedingt zeigen will, sie wurzelt in einer
halbbewußten Gesamtüberzeugung, nun endlich genug getan zu haben für die
Vergangenheitsbewältigung der Juden. Desgleichen halbbewußte Überzeugung
scheint zu sein, daß einem die Flüchtlinge aus der islamischen Welt besser
passen als die Juden damals; von den Israelis heute überhaupt zu schweigen. Bei Syrern, Afghanen,
Palästinensern fühlt man sich erinnert an die eigene Vertreibung und Flucht
aus den von Nazi-Deutschland besetzten Ländern, und man erinnert sich
sozusagen gern dieser eigenen Vergangenheit. Das ist mit den Juden nicht
möglich. Wer erinnert sich da schon gern? Und nun und obendrein legen die
muslimischen Neubürger auf deutschen Straßen, und sowieso im Internet, ihren
Judenhaß in einer Unerschrockenheit dar, die ja den Deutschen nach Auschwitz
verboten ist. Es war stets Aufgabe
der CDU/CSU, nationalistische Strömungen einzusammeln und zu dämpfen. Dazu
ist diese Partei mit Angela Merkel als Vorsitzender nicht mehr imstande. Die
rechtspopulistische AfD wird bei der Bundestagswahl im September obendrauf
viele Proteststimmen bekommen, sie wird die Grünen, sie könnte die SPD
überrunden, und sie wird womöglich mehr Sitze im Parlament erhalten, als sie
vermutlich mit ihrem Personal besetzen kann. Ich mache mich
verdächtig. Was ich schreibe, ist Wasser auf die Mühlen von Nationalisten.
Und hier hört regelmäßig das Denken auf. Man weigert sich zu begreifen, daß
viel Schlimmeres geschieht, daß man das Schlimmste überhaupt ermöglicht: Die
Regierung Merkel/Gabriel gemeinsam mit der sogenannten Opposition verhilft
den Feinden der Demokratie dazu, das Unrecht zu benennen, das man selbst der
Demokratie antut. X X
X X X
X X Monolog einer Bamf-Frau (Das Original) © Viola Roggenkamp Früh im Amt, die
Asylsuchenden hocken am Gang, da mach ich meine Tür erschtamal von innen zu.
Ich muß schaun, obs neue Asylpakete hat, vielleicht a Herkunftsland, a neues
sichres, wegen der Bleibeperspektive. Dann gehts an, irgendwie auf Deutsch und Englisch.
Das Nötigste können die meisten schon, sind nicht erst seit gestern da.
GibmeinGeldIchMannIchfickdichDu Nazi! Ich hab, nachm dreißigsten Arschloch
hab ich selbst so gered und bekam einen Verweis. Jetzt halt ich meine
Goschen. Wird schön bunt in Deutschland. Einen Wachdienst könnt ma brauchen in den
Dienststellen. Sitzen vor meinem Schreibtisch und holn sich einen runter,
fummeln am Hosenschlitz, spieln mitn Taschenmesser, winseln, werden grantig,
werden laut. Aggression pur. Nicht a jeder. Des is mir wichtig zu sagen, daß
ich nicht in Verdacht komm und bin ein Rassist. Aber die Mehrheit, die is so,
junge Burschen, die sind fit! Die ham a Ego! Fordern, verlangen. Respekt
wollns. Geben tuns keinen. Bei uns laufen die Telefone heiß. Kolleginnen aus
Erstaufnahmelagern. Manch eine kippt den Job. Sogar mir rückens zu nah. I geh
auf die Fuffzig! Nachat gibts a Dienstbesprechung, wie damit umgehen. Ja, wie
denn? Die Mitarbeiterinnen sollen sich hochgeschlossen anziehen. Nächsten Tag
warn zwei Kolleginnen krank gemeldet. Wir täten gern Deutsche mit Migrationshintergrund
zur Erstaufnahme in die Dienststellen schicken. Grad so Frauen, so deutsche
Muslimas, die wollen nicht. Männer, deutsche Türken, die gehen in den
Securitydienst, müssen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Jetzt
aber, weil wir die Toleranz haben, da fragt ma nicht, bist du Muslim, bist du
Christ? Bloß die Flüchtlinge, die tun sich ja grad unterscheiden nach derer
ihrm Glauben. In den Lagern ist der Muslim in der Mehrheit, aber total. Und
der Securitydienst, des sind fast alles Muslime von Deutschland her. Da sehen
die Christen aus Syrien, ausm Irak, die sehen keinen Stich. Verprügelt hams
die, und der Securitymann schaut zu. Bei den Frauen genauso. An der Waschmaschine, da
wird die Christin von der Muslima attackiert. Du mußt warten, du bist haram.
Haram, des ist beim Muslim unrein. Du trägst ka Kopftuch, da bist du ka
Mensch. Dein Bub ist unrein, der darf nicht spielen mit meinem Bub. So gehts
da ab. In Turnhallen, Kasernen, Containerlagern, da regiert der Islam, da hat
manch einer sei Stereoanlage, und da kriegens alle um die Ohrn, was der Imam
spricht. Beim Wachpersonal der Deutsche, der mischt sich
nicht ein. Was soll der machen? Razzia? Nachat läufts weiter wie gehabt. Des
muß ma hinnehmen, weils eben so arg viele hat. Die sind so. Die wollens nicht
anders. Da kannst integrieren so viel du willst. Deutschland schafft die
Integration! Ja, wie denn? Des is ka Dressur, ka Umerziehung, daß ma da aus
jedem Muslim an kooperativen Deutschen macht. Des muß der Zuwanderer scho
selbst wolln. Es kommen Männer, Männer, Männer, sehr jung die
meisten. Daß auf der deutschen Dienststelle da a Frau ihnen was sagt, was
ablehnt, was verlangt, des ist für die, ja, das gibt’s für die überhaupt
nicht. Dann reden die miteinand in ihrer Sprache, ich solls nicht verstehen. Aber dem sein
dreckiges Grinsen, des versteh i scho. Klar, die ham alle Druck. Nur, das ist
es nicht. Die ham ka Respekt vor der Frau, und ich sitz da vor ihnen und hab
die Macht. Da kriegen die einen Haß. Was wir in Europa uns
erkämpft haben, Gleichheit für Frau und Mann, für Homosexuelle, des tun die
verachten. Und das gibt den Rechten bei uns Zulauf. Des is ja des. Die hassen
den Muslim und profitiern von dem. Obendrein hams manches gemeinsam in derer
Unterwerfungskultur. Da muß der Schwarzafrikaner im Sammellager, der muß die
Klos putzen, der wird dazu gezwungen vom Araber, und nachts wird er am Klo
vom Araber vergewaltigt. Der Muslim im allgemeinen, der fühlt sich
diskriminiert, wann er putzen soll. Im Lager, wo es fast nur Mannsbilder hat,
da muß a jeder anpacken. Gemeinschaftsküche sauber machen, Sanitärbereich,
des muß der Schwarze und nachm Schwarzen der hellhäutige Christ. Des is die
Realität. Wir an der Basis, wir wissen das alles. Wir kriegens ja ab. Der
Job, der kostet scho Saft. Die da jetzt klagen am
Gericht, weils über ein Jahr warten tun aufn Bescheid vom Bamf, obs jetzt
akzeptiert sind als Asylant, weils arbeiten wolln, weils raus wolln ausm
Lager, des paßt ma gut. Wenntst als Sachbearbeiter oben was sagst, des bringt
ja nix, maximal an Bandscheibenvorfall. Syrien, ist klar, da ist Bürgerkrieg, des is scho
schwer für die. Es kommen aber viele nicht von dort, und des sollst prüfen.
Ja, erzählen Sie amal, wie schauts da aus in Syrien? Sagt der: alles kaputt.
Dem Übersetzer wird gedroht. Passiert vor meiner Nase. I versteh eh nix, aber
sehen tu ich es doch. Die Jungmänner ausm arabischen Raum, die legen
Schulzeugnisse vor, picobello. 70 Prozent gefälscht. Wir wissen das. Aber des
muß ma beweisen. Unschuldsvermutung. Wir sind ein Rechtsstaat. Also schiebst
den Typen durch auf Wartehalde. Es gibt welche, wo man es gleich merkt vom
Zwischenmenschlichen her, da stimmts, da hilft man gern. Und schlüpfen ein
paar Schlitzohren mit durch, paßt scho, die brauchts auch. Es is aber nicht
an dem. Dreiviertel bescheißen uns. Des wissen wir. Und des wissen die. Die
Männer ham ka Perspektive, da, wos herkommen, grad die Jungen nicht. Des is a
Massenauswanderung. Die Frauen müssen Kinder kriegen, noch mehr Kinder, und
die Söhne wandern aus, die ham dahoam ka Zukunft, die kommen zu uns und
machen auf Asyl, weils müssen, weil Deutschland ka Einwanderungsland ist. Ein jeder Antragsteller auf Asyl ist ein Einzelfall,
des ist unser grundgesetzlicher Auftrag. Erkennungsdienstliche Erfassung,
Fingerabdruck und Foto fürn Ausweis. Gibst du einen Abschiebungsbescheid,
kriegt der aus seiner Community andere Papiere und geht damit zum Kollegen.
Wir können unsere Arbeitsdurchgänge nicht pausenlos abgleichen. Die
Flüchtlinge versorgen sich untereinander mit ihren Apps. Geben Auskunft über
uns. Wo man wie am leichtesten durchrutschen kann. Apps und Tips gibts auch
von deutschen Dschihadisten. Eritrea, da gilts Leben retten. Frauen von da, die
sind total eingeschüchtert, total traurig schaun die dich an, ka Energie,
leblos. Die Integration von derer ihre Person? Wie soll das gehen? Die werden
zu uns neischmissen und bleiben verloren. Der Eriträer hockt sich hin und
wartet, bis er was kriegt. Ich hab noch nie einen gehabt, der einen Plan
hatte. Die aus Nordafrika, die wissen, was sie wollen. A
bessres Leben. Asylanten sind des keine. Seit neuestem sinds sichere
Herkunftsländer, aber es sind halt schon viele, viele da, verstopfen die
Arbeitsabläufe im Amt, und den meisten Ärger machens obendrein. A paar
hübsche Kerle hats drunter, aber saufrech. Schicken ihre Youngsters zum
Klauen, jugendliche Einzeltäter, die kriegen ka Strafe. Des spitzen die scho,
des wissen die alles. Ja, heißts dann, wir müssen Anreize schaffen. Schmarrn.
Die hätt ma gar nicht reinlassen dürfen. Nordafrikaner, da denkt der Normaldeutsche an Neger.
Das sind ka Schwarze, die sind von Algerien her, von Marokko, Libyen,
Tunesien. Des sind Looser, wo daheim scho auf der Straße warn in Gangs. Was
solln die bei uns arbeiten? Wir sind ein hochtechnisiertes Land. Fabriken
beschäftigen Roboter. Der Nafri, so sagen wir in der Dienstsprache zum
Nordafrikaner, des spart Zeit, Umas, des sind die unbegleiteten
minderjährigen Asylanten, der Nafri taucht ab in seine Community, kriegt a
Taschengeld von uns, des reicht dem. 143 Euro sinds monatlich. Bedenken hats von oben, es möcht den Flüchtling
kränken, wenn ma dem das Geld auf die Refugee-Card gäb. Da könnens nix sparen
für dahoam, da könnens ohne Bargeld niemanden schmiern. Und des wär wichtig.
Bei den Schwarzen hats viele, die würden des akzeptieren. Der Muslim, der
Araber nicht, der fühlt sich diskriminiert, dann ist der beleidigt. Da tu i
immer staunen, was die für ein Anspruchsverhalten haben. Welche verschwinden aus den Sammellagern. Immer
sinds junge Männer, mal sechs, mal zehn, mal zwölf. Da ist die Lagerstatt
leer am nächsten Morgen. Es sind ja freie Menschen, keine Gefangenen, gibt ka
Anhaltspunkte, des man nach ihnen suchen müßt. Gibt noch keine Fingerabdrücke,
keine Namen, nichts. Die haben Familie vielleicht und gehen dort hin. Gut,
sind die schon amal versorgt. Oder auch nicht. Wo tauchen die ab? Neulich
hats wieder an Zug geben von Niederbayern nachm Norden, ein paar hundert
Flüchtlinge noch nicht registriert, 20 von denen halten den Zug an,
Notbremse, hauen über die Gleise ab. Was wird aus denen? Die jungen Mädchen, halbe Kinder noch sinds, fast
alle schwanger, vergewaltigt auf der Flucht oder im Aufnahmelager. Da
herrscht die Haltung vor, die muß man nicht einschulen, des is für der ihre
Integration zur Zeit nicht zielführend, und sowieso haben wir zu wenig
Lehrer. Was denn? Sind wir hier in Afghanistan und Nordafrika, daß man die
Mädchen vernachlässigen kann? Ein Kollege sagt mir, in der Kantine wars, in der
Mittagspause, ja, wir Deutsche, wir sind auch so abgelehnt worden in der
ganzen Welt wegen dem Adolf Hitler. Seine Eltern sind von Schlesien her, sei
Mutter hat ihm erzählt, als kloans Mädchen hat der Russe ihr die Puppe
weggenommen. Ich hatte Weißwurscht aufm Teller. Am Tisch a Kollegin sagt, des
sei halal, die Weißwurscht, also rein, was beim Juden koscher ist. Dann
erzählts beim Essen von der Aleppo-Beule. Im Fernsehen hätten sies gezeigt.
Auf den Gesichtern von Kindern. Wie so a Pestbeule hats ausschaut. Ob man da
aufpassen müßt im Publikumsverkehr, hat sie gefragt. Ich hab zugenommen in
den vergangenen Monaten, Schokoriegel gegen den Frust. Für meinen Kollgen hat
des alles was Schicksalhaftes. Deutschland muß helfen und holt sich zugleich
den Dschihadismus ins Land und den IS. So sagt er. Des hab i gern. So richtig
aufbauend is des. Wir brauchen Menschen,
Deutschland muß jünger werden, heißts von oben. Is des ka Aufforderung zum
Einwandern? Der Asylant, der koana is, der hockt monatelang in der Erstaufnahme,
von dort in die Gemeinschaftsunterkunft, in die Wohncontainer, noch ein Jahr
und noch ein Jahr, derf net einwandern, derf net arbeiten. Daß da einer auf
dumme Gedanken kommt? Es is a Wahnsinn. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz,
wir brauchen Quoten. Oben blockiern sies. Weiß einer warum? X X
X X X
X X „Und die SPD-Frauen, die werde‘ schier
platze‘ vor Neid!“ Die CDU-Basis ist in Hochstimmung.
Seit Wochen hinterläßt Angela Merkel, von einer Regionalkonferenz zur
nächsten reisend, eine Spur, auf der ihr die gesamte Öffentlichkeit
hinterherschnüffelt. „Wenn sie‘s hier sagen tät?“ Der Pfälzer
Weinbaupräsident reibt sich die Hände. „Das wär pikant. Ausgerechnet in dem
Doktor Kohl sein Revier.“ Mit
glänzenden Augen, im besten Sonntagsstaat am späten Freitagnachmittag
erwarten rund 1500 Christdemokraten aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland die
Frau, die wesentlich dazu beitrug, daß in rasanter Geschwindigkeit drei
Spitzenmänner aus ihrer Bahn geworfen wurden. Außer moralischer Empörung,
scheint sie nichts angetrieben zu haben. Das infame Wort vom „Kohl-System“
stamme von ihr, geht unter den älteren Herren die Runde. Diesem Wort hänge DDR-Geruch
an. Es sind nicht nur Merkel-Sympathiesanten gekommen,
gleichwohl sind alle ausschließlich an ihr interessiert. Dabei soll die
CDU-Basis sich über den Spendenskandal aussprechen, allein zu diesem Zweck
ist Angela Merkel in ihrer Eigenschaft als Generalsekretärin unterwegs. An
ihrer Seite einer der drei geknickten Spitzenmänner: Wolfgang Schäuble. Der
andere, Helmut Kohl, schwebt unsichtbar und ein wenig melancholisch lastend
an diesem Vorfrühlingstag über der zum bersten voll besetzten Burgherrenhalle
in Kaiserslautern-Hoheneck, während von Volker Rühe überhaupt nicht mehr die
Rede ist. Bis sie kommt,
interviewt die Presse die Leute von der Basis, um ein paar originelle O-Töne
zu sammeln. Die Leute von der Basis reden vor Mikrophon wie Politiker: „Ich
bin der Überzeugung, daß die Frau Doktor Merkel Kompetenz und ...,“ so
weiter; auf einmal steigt von draußen der Stimmenpegel an. Fotografen hetzen
herein. Ein dichter Pulk dunkel gekleideter Männer schiebt sich wie ein
Rammblock durch die Masse. Am Podium angekommen wird Angela Merkel sichtbar. Die Zeit 16. März 2000 ©Viola
Roggenkamp Sie steigt rechts die
wenigen Stufen festen Schrittes herauf, während links Wolfgang Schäuble die
kleine Rampe hochrollt, in großer Anstrengung und aus eigener Kraft; das
scheint wichtig zu sein. Ein Saalordner schreit die Fotografen an: „Nicht,
wenn er hochfährt!“ Es ist schon passiert. Da erheben sich alle Menschen im
Saal, um ganz deutlich ihn mit überwältigendem Applaus zu ehren. Auch die
CDU-Generalsekretärin klatscht in ihre Hände. Aber nicht lange. Dann geht sie
zum Redepult, und so wird auf einmal Wolfgang Schäubles Applaus zu ihrem. „Liebe Freunde“, hebt
sie an, und bleibt in dieser Anrede sorgsam abgewandt von den
Christdemokratinnen. Der ehemaligen DDR-Frau soll frau es wohl nachsehen,
wiewohl sich inzwischen nicht einmal mehr CDU-Männer genieren, zumindest
öffentlich auch die „lieben Freundinnen“ anzusprechen. „Wir müssen das“, sagt
sie, und alle wissen, was gemeint ist, „aus eigener Kraft restlos aufklären.“
Dann spricht sie von „mehr diskutieren“ und von „unten nach oben“. In ihrer
Sprache klingt deutlich der forsche Dialekt der Hauptstadt an. Aber die
Leute, scheint es, hören ihr weniger zu, als daß sie die Frau da vorn
neugierig beäugen. Die als Parteivorsitzende? Warum nicht? Und die
SPD-Frauen, „die werde‘ schier platze‘ vor Neid“! Man applaudiert
lebhaft, denn eben hat die mögliche Vorsitzende dazu aufgefordert, „in den
Kampf zu ziehen, um SPD-Länderbastionen zu stürmen“. Nur Schäuble applaudiert
nicht. Er applaudiert überhaupt so gut wie gar nicht zu dem, was sie sagt.
Dann ist er an der Reihe, beginnt bedächtig und redet sich in eine
Leidenschaft, neben der Angela Merkel blutleer wirkt. Er sagt, was er in den
vergangenen Wochen schon so oft gesagt hat, nämlich daß „es uns, die
Rechtsstaatspartei, zerreißt, wenn einer von uns glaubt, sich von dem
befreien zu können, was Recht und Ordnung ischt“. Und wieder sind er und die
Basis tief bewegt von diesen Worten. Seine eigene Verstrickung ist nicht etwa
ausgelöscht. Sie gibt seinen Worten die Weihe. Er ist der abgestrafte und
gestürzte Schmerzensmann, der die christdemokratische Zerrissenheit für sie
alle übernehmen soll. Dafür verehrt ihn die Basis. Das ausdrucksstarke Wort
tut ihnen gut: Zerrissenheit. Ganz ergriffen sind sie von dem Schmerz über
die Schuld. Einer spricht aus, was viele denken: Der Herr Schäuble rede mit
einer Kraft, als wollte er selbst für den Parteivorsitz kandidieren.
Hundertfach verlegenes Lachen. Aber diskutieren
wollen die Leute nicht über den christlich-moralischen Spendensumpf. Sie
sitzen da, wie eine dichtgefügte Masse Mensch. Bis zu dieser Minute liegen
von über neunhundert verteilten Zetteln erst zwei Wortmeldungen dem
Saalordner vor. Die Basis möchte lieber, daß von oben gesagt wird, wie’s nun
weitergeht, ob die Frau Merkel nun kandidiere? Daß würde erst am 20. März
bekannt gegeben, ermahnt Schäuble die Ungeduldigen, denn man müsse denen
gegenüber fair sein, die auch kandidieren wollten „und jetzt nicht hier
sind“. Aber, fügt er hinzu, „wer Ohren hat zu hören, weiß, was die Basis
will“. Neben ihm sitzend, hat Angela Merkel die Nase tief abgesenkt und die
Unterlippe eingezogen. Ein Bild korrekter Bescheidenheit. Der Abend endet eine
halbe Stunde früher als geplant. Zwei, drei Angriffe gegen die Frau im
dunklen Anzug, werden von der Mehrheit im Saal mit Pfiffen und Buhrufen
abgewehrt. Es scheint, sie soll es sein, und doch gibt es Unbehagen. Weniger
gegenüber der Frau als Frau, eher gegenüber dem Menschen, der sie ist: vierzig
Jahre DDR? Das macht was mit einem Menschen. „Wir haben“, sagt sie
mit starkem Ausdruck in ihrem Schlußwort, und unterbricht sich sofort, „nein
– Sie! Sie haben jahrelang für die deutsche Einheit gekämpft, und ich habe
auf der anderen Seite gesessen und gehofft, daß sich die durchsetzen, die
Deutschlands Einheit wollen.“ Das sitzt. Man ist von
sich selbst ergriffen und sieht berührt auf die Befreite. Angela Merkel
scheint in diesem Augenblick die gerettete Tochter, ja, die Kopfgeburt des
Vaters der Wiedervereinigung zu sein. Die nach Harmonie hungernde Basis
stimmt inbrünstig in das von oben intonierte Deutschlandlied ein. X X
X X X
X X Das Kopftuch der
Grünen Mag man in
Deutschland nach Madrid, nach dem massenmörderischen Anschlag der islamischen
Bewegung noch über das Kopftuch reden? Oder werden sich die Grünen und die
SPD und viele deutsche Feministinnen gerade angesichts der Ermordeten darin
bestätigt sehen, was sie für tolerant halten? Nämlich Anhängerinnen der
islamischen Bewegung zu erlauben, ihr Kopftuch überall zu tragen, gerade in
staatlichen Räumen, gerade auf dem Boden des deutschen Grundgesetzes? Wäre es
Rache, wenn wir es jetzt verbieten würden? Wäre das verwerflich? Oder müssen
wir uns aus der Angst heraus, demnächst auch Zielscheibe der islamischen
Bewegung werden zu können, an das halten, was ein Leser der Frankfurter Rundschau empfiehlt? Herr
Tessnow aus Wiesbaden schreibt: „Wir alle trauern, aber wir werden nicht den
Weg der Rache betreten, denn das ist, wie man täglich in Israel sieht, der
Beginn einer endlosen Spirale der Gewalt, die jedem Terroristen die
Freudentränen in die Augen treibt.“ – Und jedem Antisemiten auch. Aber das
hat der Zeitungsleser aus Wiesbaden nicht geschrieben. Das mußte er auch gar
nicht schreiben. Das fürchten die Juden in Deutschland sowieso. Es reichte
ihm aus, von dem „Weg der Rache“ zu schreiben, den seiner Meinung nach
täglich und endlos Israel geht und gehen wird und dafür von Freudentränen
weinenden Terroristen attackiert werden darf, da die das offenbar tun müssen
und gar nicht anders können, denn Israel, der ewige Jude, kann nicht
aufhören, sich immer wieder für die böse Tat zu rächen. Würde sich dieser Leserbriefschreiber mit Israel an
einen Tisch setzen, um sich über den islamischen Terrorismus zu informieren,
um sich zu beraten? Wohl nicht. Die deutschen Regierungsparteien werden
hoffentlich klüger sein. Aber weiß man es? SüdWestRundfunk Blick in die Zeit 22. März 2004 © Viola
Roggenkamp Über den Dächern von Berlin diskutierten Grüne
Frauen mit Frauen aus aller Welt die Möglichkeit, im Weltfriedensrat bei den
Vereinten Nationen als Frauen ein Mitspracherecht zu bekommen. Es waren auch
Frauen aus islamischen Ländern eingeladen, unter ihnen eine islamische
Politikerin. Wann immer im Raum eine Kamera aufblitzte, bedeckte diese Frau
rasch ihr Haar. Verschwand die Kamera, zog sie ihr Tuch wieder von ihrem Kopf
ab. Alle Frauen im Raum waren Zeuginnen, und alle wußten, daß keine im
Zusammenhang mit dem Namen dieser Frau darüber draußen würde sprechen dürfen.
Die islamische Politikerin selbst fürchtete für sich um Leib und Leben. Ein
Foto von ihr mit unbedecktem Kopf in einer deutschen Zeitung würde
ausreichen, in ihrer Heimat oder aber bereits im demokratischen Deutschland
die islamischen Religionswächter gegen sie loszulassen. Und nun fordern Grüne Frauen und deutsche
Feministinnen unter der Führung der Grünen Marieluise Beck, der
Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, die Freiheit für das islamische
Kopftuch. Wie kommt es, daß dieselben Frauen, die gegen Krieg sind und für
die Gleichberechtigung der Frau, auf einmal für das Kopftuch eintreten. Und
zwar nicht für irgendein Kopftuch. Sondern für dieses Kopftuch, das Symbol
der islamischen Bewegung, die weltweit verkündet die Juden vernichten zu
wollen und weltweit Angst und Schrecken verbreitet. Seit dem massenmörderischen Anschlag auf Amerika,
wird in Deutschland Einfühlung gegenüber den islamischen Tätern gezeigt. Das
reicht von den sogenannten antifaschistischen Autonomen über Lehrerverbände
bis hinauf in die obersten Etagen der katholischen und evangelischen Kirche.
Allgemein heißt es eine auf ihren Profit bedachte westliche Weltherrschaft habe
die Taten provoziert. Den Toten gegenüber Betroffenheit, den Tätern gegenüber
Verständnis, sie seien die wahren Opfer. Bei dieser Überlegung geht es nicht
unausgesprochen, sondern ausgesprochener Weise um Israel. Israel und die
Palästinenser. Mehr muß niemand sagen, um etwas in Gang zu setzen, was auch
hierzulande den ewigen Antisemitismus belebt. Nach dem Anschlag auf Amerika gab es obendrein
öffentliche Bewunderung: man bewunderte die brillante Logistik der Mörder.
Nach Madrid ist diese Bewunderung nicht mehr zu hören. Zwischen Madrid und
Deutschland liegt kein Atlantik. Nur ein paar hundert Kilometer
Eisenbahnschienen. Statt nun muslimische Mädchen und Frauen in den
öffentlichen Räumen unseres demokratischen Staates vor dem Kopftuchzwang zu
bewahren, unterwerfen sich deutsche Grüne und deutsche Feministinnen
demonstrativ der totalen Herrschaft des politischen Islam. In islamischen Staaten werden Frauen von
Religionswächtern mit einem Stock öffentlich auf der Straße gezüchtigt, wenn
man sie mit unbedecktem Kopf antrifft oder ihr Tuch etwas verrutscht ist. Man
hackt ihnen Finger ab. Zu hunderten werden allein in Berlin muslimische
Mädchen entführt und zwangsverheiratet. Ihre Genitalien werden von Ärzten in
Deutschland verstümmelt. Das sind Straftaten, die in der Bundesrepublik
praktisch nicht verfolgt würden, beklagt der Berliner Verein muslimischer
Migrantinnen. Auch islamische Fanatiker gehen ins deutsche Exil, wo sie an
ihrem frauen- und menschenverachtenden Staat weiter bauen, erfolgreicher
vielleicht als heute in Kabul oder Bagdad. Muslimische Mädchen dürfen in Deutschland nicht am
Sportunterricht teilnehmen, nicht am Sexualkundeunterricht, nicht an
Klassenfahrten und Freizeitangeboten, muslimische Frauen dürfen keine
deutschen Sprachkurse machen. Alles das verbietet und überwacht im deutschen
Exil durch seine Gefolgsleute der islamische Faschismus. Und von den drei
Komma acht Millionen Muslimen, drei Komma acht Millionen, die in Deutschland
leben, sagt eine Mehrheit, das alles stehe nicht im Koran. Na also. Dann
unterstütze man doch diese Mehrheit und unterwerfe sich nicht den
muslimischen Fanatikern und Fanatikerinnen. Den Kopftuchzwang in deutschen staatlichen Räumen zu
legitimieren ist Komplizenschaft mit islamischem Terror. Feministinnen, die
dagegen protestieren, werden im Internet beschimpft als „deutschnationale“
oder „braune Feministinnen“. SPD- und Grüne Frauen, denen Zweifel kommen,
behalten diese Zweifel lieber für sich. PDS-Frauen erklären die
Kopftuchdebatte für eine weiße Mittelschichtsangelegenheit von Westfrauen.
Die Attac-Bewegung ist sich viel zu gerecht, um darüber nachzudenken, was es
für muslimische Frauen und Mädchen bedeuten muß, im deutschen Exil
ausgerechnet den islamischen Unterdrückungsterror toleriert zu sehen. Jutta Limbach, Präsidentin des Goethe-Instituts,
glaubt allen Ernstes, ein Verbot des Kopftuchs in staatlichen Räumen „würde
eher fundamentalistischen Strategien in die Hände spielen“. In der Jüdischen Allgemeinen sagte sie: „Wir sollten darauf vertrauen, daß
derjenige den Sieg davontragen wird, der die Freiheit nicht beschneidet.“ Warum sollten wir darauf vertrauen? Wir haben keinen
einzigen Grund, islamischem Fundamentalismus zu vertrauen. Ganz im Gegenteil.
„Wir alle müssen den geringsten Anfängen wehren“, auch das sagt Jutta
Limbach, „denn wir haben schon einmal erfahren, wohin vermeintlich harmlose
Anfänge führen können.“ Ganz genau! Aber Jutta Limbach meint es leider völlig
anders. Das ist der Fluch der bösen deutschen Tat. Die Bundesrepublik macht
sich zum Mittäter und Mitläufer der Politik eines faschistoiden Islams und
erklärt die muslimischen Fanatiker und Fanatikerinnen zu ihren
Lieblingsopfern. Ob eine Muslimin das Kopftuch aus religiösen
Gefühlen trägt oder aber als politische Demonstration, ob sie es trägt, weil
sie im freiheitlichen Exil auf einmal patriotische Gefühle bekommt und
darüber vergißt, daß ihr daheim ohne Kopftuch öffentlich Prügelstrafe oder
Schlimmeres drohte, oder aber weil ihr Mann, ihr Vater, ihre Brüder sie auch
im Exil dazu zwingen, es geht dabei eben nicht um eine Kleiderordnung. Es
geht um das politische Symbol des Islamo-Faschismus. Der renommierte Politologe Bassan Tibi, Professor
für internationale Beziehungen an der Universität Göttingen, kam vor vierzig
Jahren mit seinen Eltern aus Syrien in die Bundesrepublik, er bezeichnet sich
heute als deutscher Bürger, arabischer Abstammung, islamischen Glaubens,
Bassan Tibi sagte im Deutschlandfunk:
Bundespräsident Johannes Rau, der sich offiziell für das Kopftuch ausspricht,
meine es gut, aber er habe keine Ahnung. Frankreich mache es richtig. In
Deutschland aber werde die Justiz jede Klage auf die sogenannte
Religionsfreiheit in staatlichen Räumen unterstützen müssen. Und jedesmal, so
Bassan Tibi, werde das eine Niederlage der Demokratie in Deutschland sein. Eine Demokratie muß Verbote aussprechen, wo
Fanatiker Wege finden, freiheitliche Grundrechte, wie die Gleichberechtigung
der Frau oder wie die allgemeine Religionsfreiheit, dafür zu mißbrauchen,
ihre totalitären Maßnahmen durchzusetzen. Wer darin eine Zwangslage sieht,
versteht nicht, daß zum Schutz der Freiheit gerade Grenzen gehören, die um
der allgemeinen Freiheit willen von allen zu respektieren sind. Frankreichs
orthodoxer Oberrabbiner Joseph Sitruk nimmt seine Kipa ab, wenn er wählen
geht, und zwar wie er sagte: „Als Zeichen des Respekts für die Republik“. X X
X X X
X X Endlich! Eine frohe
Deutsche Sie sei froh, Deutsche
zu sein, hört man Angela Merkel des öfteren erklären, und auch, daß sie nach
fast vierzig Jahren wisse, was es heiße, in einer Diktatur leben zu müssen,
wie bedrückend es etwa gewesen sei, nicht einfach einen Brief aus der DDR
nach Israel geschickt haben zu können. Das ist allerhand und viel auf einmal an
Assoziationsmöglichkeiten für das deutsche Publikum und sein Gemüt. Eine
deutsche Frau, besser noch: ein deutscher Mensch, viel besser noch: ein
deutsches Opfer ostdeutscher Diktatur und seine ungeschriebenen Briefe an
Juden. Wie soll die Öffentlichkeit das alles verstehen? Angela Merkel wird wissen, daß sie durch die Wahl
ihrer Worte an die NS-Zeit rührt, an die beiden deutschen Teilen gemeinsame
Vergangenheit. Sie will zeigen, wie sie das macht: den heiklen Punkt berühren
und dabei völlig unbefangen bleiben. Ein Fräulein Harmlos aus der ehemaligen
DDR. taz- Schlagloch 23. Mai 2000 © Viola
Roggenkamp Die Originalformulierung „stolz darauf,
Deutscher zu sein“, stammt von dem Österreicher Adolf Hitler. Seitdem war es
in Westdeutschland niemandem gelungen, diese Phrase zu entgiften. Auch nicht
Helmut Kohl durch hartnäckige Wiederholungen. Angela Merkel vermeidet das
Wort „stolz“ wie jemand, der damit eigentlich überhaupt gar nichts zu tun
hat. Den Hitler-Staat als tatsächliche wie
als erinnerte Vergangenheit gibt es im politischen Bewußtsein vieler
Ostdeutscher vorwiegend aus dem Blickwinkel des verfolgten Kommunisten. Alles
andere scheint abgespalten und auf Westdeutschland verschoben. Die Wiedervereinigung mit ihrer Abrechnung gegenüber
der deutsch-sozialistischen Vergangenheit hat diesem Selbstbetrug der
Ostdeutschen, niemals Täter, sondern stets Opfer gewesen zu sein, neue
Nahrung gegeben. Und das zur Zeit prominenteste Opfer ist Angela Merkel. Mit
ihrem Pathos bringt sie die Erfüllung deutscher Erlösungsphantasien: In
diesem Rührstück sind alle Rollen deutsch besetzt, endlich nicht nur die der
Täter, auch die der Befreier, und vor allem die Hauptrolle, das Opfer, ist
deutsch, christlich und arisch. Es kann jetzt seine nicht abgeschickten
Briefe nach Israel dort sogar persönlich vorbeibringen. X X
X X X
X X Schmerzensmann bin
Laden Was wird sein,
wenn Bush ihn hat? Diese Zeitung wird mit Trauerrand erscheinen, Bin Laden,
bin Opfer, wird sie titeln, und es wird vielen ein Fest sein, einen neuen
Schmerzensmann zu haben, von dem sie zehren können. Sieht er dem Erlöser der
Christen nicht überhaupt ein bißchen ähnlich? Seit dem Anschlag auf Amerika,
wird in Deutschland Einfühlung den Tätern gegenüber gezeigt. Eine nur auf
ihren Vorteil bedachte Weltherrschaft habe die Tat provoziert. Den Toten
gegenüber Betroffenheit, den Tätern gegenüber Verständnis, sie seien die
wahren Opfer. Sagen wir nicht sofort, das hat eine besondere Tradition in
Deutschland, aber verbieten wir diesen Gedanken auch nicht. Es gab einen ersten Schock, und seitdem wird im
öffentlichen Raum, in Diskussionen auf hohem Niveau, der massenmörderische
Anschlag wegerklärt. Als eine besondere Leistung menschlicher Einsicht wirbt
der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter dafür, man möge zu denken wagen,
daß die Opfer ihre Ermordung mit verschuldet haben. taz-Schlagloch 10. Oktober 2001 ©Viola Roggenkamp Das Streben nach Schuldübernahme, verfolgt man die
Debatten in Deutschland, scheint ungeteilt zwischen den Geschlechtern,
zusätzlich gibt es eine Ebene, auf der Männer unter sich frohlocken: die brillante
Logistik des Anschlags wird bewundert, und Klaus Theweleit, der bekannt ist
durch seine Arbeit über männliche Größenphantasien und männliche
Destruktivität, bezeichnet die Zerstörung der beiden Türme des World Trade
Centers als Anschlag auf den Doppelphallus westlicher Männermacht, als „Tritt
in die Eier, der auch auf den Kopf zielte“ (taz vom 19.9.2001). Als ginge es um ein
Happening, als sei das Ziel der Selbstmord-attentäter nicht exakt der Ort
gewesen, an dem zu diesem Zeitpunkt in USA die meisten Menschen versammelt
waren. Wenn Theweleit diesen mörderischen Anschlag islamistischer
Selbstmordattentäter als einen zerstörerischen Akt auf die männlichen
Genitalien der modernen westlichen Welt bezeichnet, dann wird er wissen, daß
er mitgetroffen wurde. Seine analytische Häme aber klingt nach
Identifizierung mit den Tätern. Der Wunsch nach
Teilhabe an der drohenden Gewalt, das sich identifizierende Anschmiegen an
die Täter, ist eine Möglichkeit, eigene Ängste abzuwehren. Ganz allgemein
könnte das unter dem Streben nach Schuldübernahme und dem gezeigten
Verständnis für die Tat liegen. Um seiner Tötung zu entgehen, bietet sich das
potentielle Opfer an, ein Akt der Unterwerfung, eine Art Selbstkastration.
Unaushaltbar scheint es, sich der eigenen Verletzlichkeit zu stellen. Kastrationswünsche
gegenüber dem Anderen verbinden sich mit der Vorstellung von eigener
Vollkommenheit, einer Vollkommenheit, die es gar nicht gibt, eine männliche
Vollkommenheit, wie sie sich kriegerische Männlichkeit zusammenphantasiert,
wie sie in islamistischen Herrschaftssystemen mit brachialer Gewalt gegenüber
Frauen ausgelebt wird. Jetzt ist die westliche Welt Ziel dieser Fanatikern
geworden, die sich als Märtyrer des Islams verstehen. Gestern vor vier
Wochen. So verletzlich sind wir. So einfach ist es, uns zu treffen in unserer
hoch technisierten Welt. Nach dem 11. September
haben Juden in Deutschland einen Augenblick lang gehofft, nun werde man
Israels Situation verstehen, und ich habe einen Moment lang gehofft, jetzt
wird man endlich begreifen, daß der Terror, dem Frauen in isalmistischen
Systemen ausgesetzt sind, nicht zu trennen ist von dieser Wahnsinnstat. Wir
haben uns geirrt. Von Israel wird erwartet dafür zu sorgen, daß sich solche
Anschläge nicht wiederholen, und von den Frauen ist gar nicht die Rede. Männlicher Fanatismus, männlicher Frauenhaß,
männliche Destruktivität und männlicher Größenwahn, das ist das Fundament von
Faschismus. Auf diesem Fundament stand auch der deutsche Faschismus, Frauen
sollten Söhne gebären, mehr nicht. Und auch der deutsche Faschismus hatte die
Wahnvorstellung von einer jüdischen Weltherrschaft, genauso wie der
islamistische Faschismus. Daß der Koran diesen Faschismus nicht legitimiere,
versichern mir Frauen und Männer aus diesen Ländern. Sie leben im Exil in
Deutschland. So wie diese muslimischen Frauen hierzulande leben, wie sie sich
kleiden, daß sie studieren und Geld verdienen, dafür würden sie in ihrer
Heimat verhaftet, Körperteile würden ihnen abgehackt, sie würden zu Tode
gesteinigt. Verboten ist den Frauen die sexuelle Selbstbestimmung, Frauen
werden vorsätzlich abhängig und dumm gehalten. Israel inmitten der
arabisch-islamischen Welt ist mit seiner Gleichberechtigung von Frau und Mann
eine extreme Herausforderung für solche Systeme. Was mit Frauen in Afghanistan und in anderen
islamistischen Ländern geschieht, ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Es
ist zu befürchten, daß die westliche Welt trotzdem bereit ist, diese
Verbrechen gegen Frauen weiterhin als kulturelle Eigenart der islamistischen
Männergesellschaft zu tolerieren. Letztlich aber führt die Versklavung der
Frau und ihre Vertreibung aus der Öffentlichkeit in gesellschaftliche
Katastrophen, die männliche Größenphantasien hervorbringen. Eine davon war
der 11. September. Größenphantasien und Größenwahn haben mit
Minderwertigkeitsgefühlen zu tun. Frau und Mann müssen in ihrer Seele damit
fertig werden, nicht vollkommen zu sein. Es geht um die wechselseitige
Anerkennung im Wissen um die gegenseitige Abhängigkeit. Im gesellschaftlichen
und privaten Zusammenleben versuchen wir, damit klarzukommen. Die eigentliche narzißtische Wunde aber
ist wohl gar nicht die geschlechtliche Unvollkommenheit, sondern die eigene
Endlichkeit. Daß wir sterben werden, ist das einzige, was wir von unserer
Zukunft wissen. Wir werden uns vielleicht einmal clonen lassen können, aber wir werden es nicht mehr sein. Nichts
kommt dieser narzißtischen Verwundung gleich. Faschistische Systeme arbeiten
mit der Leugnung dieser narzißtischen Wunde, so rekrutieren sie auch ihre
Selbstmordattentäter: Tödliche Macht über das Leben anderer, für den Mörder
ewiges Leben, dazu 700 Jungfrauen im Paradies und 10 000 US-Dollar für die
hinterbliebene Familie. Das Testament des einen islamistischen
Selbstmordattentäters war ein Beleg dafür.
Die eigene Endlichkeit
beginnt mit dem Eintritt ins Leben, und den bewirkt die Frau. Nur aus der
Frau kommt die Frau und kommt der Mann. Die Frau ist die Gebärende, durch sie
beginnt der Ablauf der eigenen Endlichkeit. Vielleicht hat hier Frauenhaß und
Mutterhaß in beiden Geschlechtern seinen Ursprung. Das Gefühl des Mangels mag
sich festmachen am Neid auf die Potenz des anderen Geschlechts, die
narzißtische Kränkung, nicht vollkommen zu sein, meint im Tiefsten der Seele
die eigene Endlichkeit. X X
X X X
X X Das Fernsehen
schafft das Bild ab Das Fernsehen
schafft das Bild ab? Nein. So dumm ist nicht einmal das Fernsehen. Der Hörfunk
schafft das Wort ab. Ja. Das ist tatsächlich wahr. Intendanten und
Programmdirektoren kürzen und streichen das gesprochene Wort aus ihren
Kulturprogrammen. Das sind Leute mit Abitur und dem persönlichen Bekenntnis,
die deutsche Sprache läge ihnen am Herzen. Da liegt sie und verstummt. Es
verschwinden Magazine, halbstündige Gespräche, Essays. Im NDR beispielsweise Texte und Zeichen, eine der besten
Kultursendungen, die es gab. Statt dessen Musik und Eigenwerbung. Vorrang habe Kla-Po-Pu, so heißt es in
Hörfunkanstalten, Klassik-Pop und Publikumssendungen „vor Ort“,
Konferenzschaltungen von den spannenden Straßenfesten der Republik.
Mittelmäßigkeit und Melodei. Herr Mustermann an die Macht. Der
gesellschaftspolitische Auftrag des Hörfunks ist nicht die Verdummung, doch
sie wird systematisch betrieben. Warum machen das die älteren Herren in der
Intendanz und Programmdirektion? Das sei jung, sagen sie. Sie haben es jetzt
im Fuß, Rhythmus, Klassik-Pop. NDR, WDR, MDR, Hessischer Rundfunk, nun auch
der SFB, der jetzt RBB heißt, Radio Berlin-Brandenburg. Überall schön
einheitlich vier Viertel und sechs Achtel. taz-Schlagloch 22. Oktober 2003 © Viola Roggenkamp Dabei ist der ältere Herr im RBB eine Frau. Frauen
und Sprache. Das weiß man doch. Das ist eine Einheit, eine
geschlechtsspezifische Begabung. Nicht so bei RBB-Intendantin Dagmar Reim.
Zum ersten Mal eine Frau an der Spitze eines ARD-Senders. Was haben wir uns
gefreut! Feministinnen haben auch Margaret Thatcher immer zu schätzen gewußt,
weil sie mit ihrer Betonfrisur und ihrem Handtäschchen die einzige war unter
den graumäusigen Männern. Endlich eine Intendantin also, dazu neben sich als
Programmdirektorin eine Frau aus Ostdeutschland. Vorbildlich! Wie kommt eine Frau nach oben? Sie muß fünfmal
besser sein als ein Mann. Dagmar Reim ist fünfmal besser als ein Mann. Gleich
hat sie das frauenpolitische Magazin „Zeitpunkte“ am Wickel. Ab 1. Dezember
soll es die „Zeitpunkte“ nicht mehr geben, nicht mehr wie seit vierundzwanzig
Jahren gewohnt täglich eine Stunde. Das hat kein Mann vor ihr geschafft. Die
frauenpolitischen Themen sollen stattdessen häppchenweise irgendwo im
Klassik-Pop-Teppich über die Woche verteilt untertauchen. Von Dagmar Reim gibt es ein geflügeltes Wort. Es
flattert durch Interviews, die sie dank ihrer Geschlechtszugehörigkeit nach
der Ernennung zur Intendantin geben konnte. Die RBB-Frau behauptet,
Kultursendungen würden inzwischen nur noch vom Redakteur gehört, seiner Frau
und seinem Friseur. Mit anderen Worten: Ein Mann besitzt das Mikrophon und
glaubt sich bedeutungsvoll, am Radio lauschen seine Lebensgefährtin und ein
Schwuler. Schön, wenn jemand so festgefügte Vorurteile hat. Man müsse die Jungen an sich binden, heißt es ganz
oben in den Hörfunksendern der ARD, und junge Leute könnten gesprochener
Sprache nicht länger zuhören als höchstens zweieinhalb Minuten. Sind das
dieselben jungen Leute, die stundenlang telefonieren? Stundenlang e-mails
schreiben und lesen? Stundenlang in der Schule und an der Uni diskutieren?
Stundenlang im Fernsehen in Nachmittagtalkshows ihre Lebensprobleme
ausbreiten und stundenlang Hörkassetten im Autoradio hören? Der Markt der
Hörkassetten boomt. Warum wohl? Die Mehrheit der Rundfunkhörer ist weiblich
und über vierzig. Genauso wie die Bevölkerung. Und das ist der Trend. Das
Alter ist im Kommen. Für jeden Menschen. Warum zahlen Frauen und ältere
Menschen überhaupt noch Rundfunkgebühren? Die jungen Leute werden die
Kulturprogramme hören wollen, wenn sie vierzig sind. Bis dahin sind alle
gestrichen, weil zunehmend Programm für eine junge Minderheit gemacht wird,
die ihr weniges Geld zuletzt an Rundfunkgebühren verschwendet, die sich ihre
Musik aus dem internet holt, auf CDs schwarz brennt und untereinander
verhökert. Also, wozu und für wen die Vernichtung der
Sprache im Hörfunk? Richtet sich das gegen Frauen? Oder gegen alle
Erwachsenen ab vierzig? Viel einfacher, ganz einfach. Musik ist billiger.
Qualifizierte freiberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu honorieren,
die Reportagen, Interviews, Feature und Kommentare liefern, ist teuer. Und da
alles teurer geworden ist, vor allem die neue Technik, erhält sich die Spitze
in den Sendern durch Kla-Po-Pu (siehe oben) ihre horrenden Spitzengehälter.
Der gesellschaftspolitische Bildungsauftrag, zu dem man sich verpflichtet
hat, scheint diesen Leuten am Kla-Po-Pu vorbeizugehen, und die anderen werden
arbeitslos. Zuerst die freiberuflichen Frauen. Dann die Schwulen. Und am Ende
der Redakteur. (Aufgepaßt, Sie hat die Intendantin auch schon auf dem
Zettel.) Nur der SWR und der Deutschlandfunk halten noch am
Wort fest, und da man den Südwestrundfunk im Norden leider nicht so einfach
hören kann, hören immer mehr den DLF. Der wird nun zum gefragtesten Sender,
denen geht es gut, und da streichen Intendant und Programmdirektor gleich
wieder die Frauen. In Diskussionssendungen über Sozialreform, Rentenloch,
Arbeitslosigkeit, Ganztagsschulen oder Brustamputation sind im DLF nur noch
Männer als Experten zu hören. Vor rund zwanzig Jahren erließ der Europarat eine
Entschließung über „die Tilgung des Sexismus“ in der öffentlichen Sprache.
Wer klagt das ein? Frauen müssen gefragt werden und zu Worte kommen. Da hilft
nur Quotierung. Bei der Programmgestaltung wie bei der Besetzung von
Gesprächsrunden. Männer stört es nicht, wenn sie in Anwesenheit einer
Alibifrau unter sich bleiben. Frauen müssen das kritisieren und mehr Frauen
fordern. Die Feigheit einzelner Frauen kommt aus ihrem Bedürfnis,
Männerrunden gefallen zu wollen. Doch je weniger Frauen sich durchsetzen,
desto minderwertiger erscheint auch die einzelne Frau, die es zu etwas
gebracht hat, desto minderwertiger erscheint die Sache der Frau, desto
weniger hat man Lust, der Frau Platz einzuräumen. Wenn es denn so wäre, daß es junge
Leute gibt, die dem gesprochenen Wort nicht länger als zweieinhalb Minuten
zuhören können, ist das ein Grund, sie zur Mehrheit machen zu wollen? Ist das
nicht vielmehr verwerflich? Die Menschheit ist eine Gedächtniskultur durch
gesprochene Sprache. Wer das untergräbt, fördert die Zunahme fühlloser
Gewalt. Damit Erlebtes und Geschehenes zu Erfahrung werden kann und zu
Einfühlung, bedarf es der Differenz. Die schafft das Wort, besonders das
gesprochene und gehörte Wort. Nicht die Musik. Nicht das Bild. Phantasien
entstehen beim Zuhören, nicht beim Zusehen. Der Hörfunk löscht nun diese
wichtige Aufgabe des Wortes und damit seine eigene Bedeutung. Man sollte die
Zuständigen entlassen. X X
X X X
X X Eine Frau
reicht doch Öffentliche Bekenntnisse können von Vorteil
sein. Gerade auch vor der Wahl in das höchste Amt, welches dieser Staat zu
vergeben hat. Horst Köhler zum Beispiel hat noch vor der
Bundespräsidentenwahl öffentlich bekannt, für Angela Merkel zu sein. Und sie
ist für ihn. Er möchte, daß sie Bundeskanzlerin wird. Und Angela Merkel will
Horst Köhler. Der ehemalige Direktor des Internationalen Währungsfonds ist
ihr künftiger Bundespräsident, wenn sie etwas zu sagen hätte. Und das wird sie.
Ein internationaler Gelddirektor aus der Ehemaligen
also. Nichts gegen Geld. Die Deutschen sprechen oft über Geld. Auch Angela
Merkel spricht über Geld, und wie und wo und bei wem es eingespart werden
kann. Horst Köhler wird sie darin unterstützen. Seine wichtigste Aufgabe als
ihr Bundespräsident wird es sein, „den Menschen in unserem Lande“ (Merkel)
dieselben Sparmaßnahmen schmackhaft zu machen, für die Rot/Grün demnächst
abgewählt werden wird. Vor zweihundert
CDU-Kreisvorsitzenden sagte Horst Köhler am vergangenen Samstag, im Falle
seiner Wahl zum Bundespräsidenten werde er unbequeme Appelle zu weiteren
Reformen an die Politik richten, oh ja, und er sage das in einer Phase, „wo
ich davon ausgehen muß“, daß dann „noch ein Sozialdemokrat Bundeskanzler ist“,
und er werde „im Prinzip den gleichen Ansatz haben, wenn dann hoffentlich
jemand von der CDU - nämlich Angela Merkel - Bundeskanzlerin ist“. taz-Schlagloch 11. März 2004 ©Viola Roggenkamp Hat sich der internationale Sparkassendirektor damit
als ein noch zu wählender Bundespräsident vorzeitig für das hohe Amt
disqualifiziert? Wen schert das? Angela Merkel jedenfalls nicht. Ist nicht
sie für ihn die kommende Kanzlerin? Ist er da nicht qualifiziert, ihr Bundespräsident zu
werden? Er, sagt sie, er habe „durch seine Äußerung deutlich gemacht, daß er
das Amt des Bundespräsidenten als überparteilich versteht“. Das verstehe
einer, wenn er nicht aus der DDR-Demokratie kommt. Man höre auf die Stimme der Angela Merkel. Bei
solchen Äußerungen ist es der kecke Mädchenton, mit dem sie für sich selbst
frisch in die Bresche springt. Diese Frau mache keine Rechnung auf, deren
Ergebnis sie nicht bereits kenne, heißt es mit bewunderndem Schauder in der
CDU/CSU. Anders gesagt: Angela Merkel versteht es, von allem zu profitieren.
Die CDU-Parteivorsitzende profitiert sogar vom westdeutschen Feminismus, den
sie als einstige DDR-Frau wahrscheinlich verachtet. Aber für sich gebrauchen
kann sie alles. Der westdeutsche Journalist, der sie in der Berliner
Humboldtuniversität vor Publikum als „erfolgreich, aber kalt“ bezeichnete,
bekam von ihr prompt zur Antwort, sie verspreche ihm, sich künftig an den
„menschlich warmen Männern“ ein Beispiel zu nehmen. Das Publikum applaudierte
ihr nahezu einhellig. Feministinnen jubeln und sehen ihr nach, was sie keinem
Mann nachsehen würden: daß nämlich Angela Merkel eine Frau als künftige
Bundespräsidentin verhindert. Und diesmal hätte es geklappt. Die CDU-Frau Annette Schavan wäre mit nahezu
hundertprozentiger Sicherheit Bundespräsidentin geworden. Doch Angela Merkel
will keine Frau. Sie will sich selbst. Sie will Bundeskanzlerin werden. Sie
will in zwei Jahren Gerhard Schröder ablösen. Sie will jetzt kein
Mißtrauensvotum, sie will keine vorzeitigen Wahlen, sie will die noch
verbleibenden zwei Jahre nutzen, um Posten mit Männern zu besetzen, die in
ihrer Rechnung aufgehen. Solche wie Horst Köhler, solche, die ihr dankbar
sind. Ein Frauenpaar an der Spitze des Landes? Wenn sie Kanzlerin wird? Wie
sähe das denn aus? Bislang hatten wir immer Männerpaare. Und das finden
Männer auch gut so. Zuletzt Schröder mit Rau. Demnächst vielleicht Köhler mit
Koch oder Stoiber mit Köhler oder Köhler mit Merz. Denn alle wollen dasselbe
werden, Koch, Merz und Stoiber: CDU/CSU-Kanzlerkandidat. Und keiner will
Angela Merkel. Wie sie Helmut Kohl auf offener Bühne gemeuchelt hat, weckt
Kastrationsängste bei den Männern. Wenn aber Gerhard Schröder und die SPD im Wahlkampf
lieber Koch oder Stoiber als Herausforderer hätten, dann wird die CDU Angela
Merkel wollen. Obendrein ist sie Ostdeutsche. Eine ostdeutsche
Kanzlerkandidatin wäre völlig unberechenbar. Womöglich wird sie gewählt, weil
die Leute im Westen mal was ganz anderes wollen und die im Osten endlich was
Eigenes. Angela Merkel und Horst Köhler, zwei die gut rechnen können, haben
beide Wahlen bereits durchkalkuliert und unterm Strich das amtliche
Endergebnis zusammengezählt: Sie wird in zwei Jahren Deutschlands erste
Bundeskanzlerin sein, und er ist ab 23. Mai Deutschlands neuer
Bundespräsident. Wozu noch Geld für die Wahlen ausgeben? X X
X X X
X X Unter Lindenblüten
an der Elbe Wir wußten, daß wir ein
Gemälde aus vergangenen Tagen betreten würden, als wir auf die Lindenterrasse
zusteuerten. Von Max Liebermann in Hamburg an der Elbe 1903 gemalt. Bereits
damals waren die Linden auf dieser Terrasse nicht mehr jung, jedenfalls nach
menschlichem Ermessen, aber für Bäume schon, und inzwischen wohl bald
hundertfünfzig Jahre alt. Ihren Glauben an ein Weiterleben nach dem Tode
haben sich die Menschen von den Bäumen abgeguckt, die im Winter wie tot
dastehen und im Frühjahr sich neu beleben; diese Linden, hoch über der Elbe,
nun im zweiten Jahrhundert. Sie leben einfach weiter. Geradeso wie die
Geschichte der Menschen, die geht auch immer weiter, annonciert „Der Spiegel“
im ganzen Land. Seine Botschaft heißt: Deutschlands Vergangenheit werde die
Gegenwart der Zukunft sein. Diese Beschwörung illustrieren farbige Plakate
und Titelseiten, wie sie sich jeder Nazi gern über sein Bett hängen wird. Man
spürt die Begierde nach Unausweichlichem, mit der in der Redaktion montiert
wurde: Vor dem Brandenburger Tor Fahnen schwingende rechtsterroristische
Jugend, dahinter aufsteigend Adolf Hitler, staatsmännisch. Sogar der Führer
wäre mit dem Chefredakteur und seinen „Spiegel“-Mannen zufrieden gewesen. Davon noch dreißig
Jahre entfernt, hatte der Jude Max Liebermann die zu einem Blätterdach
verschlungenen Baumkronen in frühsommerlicher Luft gemalt, beschwert nur mit
der Süße des Lindenblütenduftes, hoch über dem Fluß, und nichts von dem
fauligen Mief von unten, wie er stinken kann, nach totem Leben. taz- Schlagloch 9. Mai 2001 © Viola
Roggenkamp Vom Innern des Hotels,
durch die großen Fenster und Glastüren, zeigte sich die Lindenterrasse an
diesem Sonnabend in einer Weise besetzt, daß ich zunächst dachte, wir dürften
sie nicht betreten. Herren in grauem Gehrock und kanariengelber Weste machten
Front nebeneinander und gegeneinander, Damen unter großen Hüten, in sehr
langen oder ganz kurzen Kleidern, lächelten zum Angriff; einige
hochschwanger, andere magersüchtig, daß ihnen die Schulterblätter durch das
rohseidene Kostümjäckchen stachen. Ein Hochzeitsempfang im Mai 2001. Für ihn
waren zwei Drittel der Lindenterrasse reserviert. Wir setzten uns ins
dritte Drittel, und zwar so, daß wir auf die Elbe als auch auf die
Gesellschaft bequem sehen konnten, dazu bestellten wir Tee und Apfelkuchen.
Alle auf unserer Seite machten es so. Man sah auf die Reichen, denn Geld
mußten sie haben, wenn sie sich das hier an der Elbchaussee bei Louis C.
Jacob, Hotel und Restaurant, leisten konnten. Zwischen ihnen und uns war eine
Abgrenzung, eine dicke Schnur, knietief gehängt, leicht zu überwinden und
wirksam, wie eine Wand. Wir kommentierten, was
wir sahen, verhalten zunächst, bald ganz ungeniert, denn sie sahen nur sich,
und folglich würden sie uns nicht hören, obgleich keine zwei Meter uns
trennten. Nicht ein Blick von ihnen fiel auf uns Leute. Eigentlich ließen sie
uns völlig in Ruhe, doch übersahen sie uns so konsequent, daß es etwas von
Mißachtung hatte. Auf unserer Seite war man wenigstens gegen sie. Das Paar an unserem
Tisch, zwei Männer, beide schwul, der eine mit Ohrring, der andere von
zwanghafter Selbstkontrolle, starrten gebannt auf den hochgeschäumten Protz
hinter der Trennkordel: Jungunternehmer im Börsenrausch, nächste Woche im
Konkurs, übernächste Woche unter einem neuen Label. Bieder lauernd die
Männer, standesgemäß frivol die Frauen an ihrer Seite, denn zu jedem Mann
gehörte eine Frau, und jede dieser Frauen hatte die Aufgabe, ihn und immer
nur ihn anzusehen, wenn er zu anderen Männern sprach. Zwischendurch konnten
sie sich frei bewegen. Man löffelte Suppe im Stehen. Der Bräutigam tauchte
am Weinausschank auf. Daß er der Bräutigam war, verriet außer dem kleinen
Myrthesträußchen in seinem linken Knopfloch, sein verschlagener Blick, mit
dem er Weinflaschen und Personal überflog. Seit heute durfte er es machen wie
sein Vater, er war nun selbst Hausherr geworden, trat leise auf, dabei das
gelbliche Gesicht mit dem spitz zulaufenden, flachen Hinterkopf ein wenig zur
Seite neigend, das Ergebnis dauerhaft schlechter Körperhaltung, alt geboren
und wahrscheinlich der einzige Repräsentant wahrhaft hamburgischen
Wirtschaftsadels in der Meute seiner Gäste. Der Braut taten die
Füße weh. Der Vater der Braut mit Drittgattin, hatte sich übers Buffet
gebeugt und inspizierte, seine Brille zur Stirn anhebend, mit darunter
hervorhechelndem Blick die Weinmarken. Erdbeertorte kam. Man sagte Aaahhh.
Das gehörte dazu. Eine Frau gab der Bedienung Anweisungen.
Hartes Gesicht unter lackschwarzem Hut, am Zeigefinger knappste Anweisungen:
Davon! Ein Glas! – Dann zum Kind neben ihr: Hier. Laß fallen. Wär‘ schade
drum. – Von wem hatte die das? Von ihrem Urgroßvater, dem Korvettenkapitän?
Von ihrem Großvater, dem SS-Offizier? Von ihrem Vater, dem Beamten im
Auswärtigen Dienst? Als einer von ihnen
langsam seitlich gegen uns ein Bein hob, die Trennkordel überschritt, sein
Handy am Ohr, den Blick auf die Schuhe gesenkt, da war es deutlich: Sie
durften unseren Boden betreten, während wir ihnen dabei zugucken konnten. Er
kam, um sich bei uns abzutelefonieren.
Die Kinder konnten
mehr. Ein zweijähriger Matrose von drüben lief zwischen unseren Tischen
herum, den Blick seiner Mutter im Rücken, die schon wieder schwanger war. Sie
gefiel sich in ihrer Fruchtbarkeit. Träge ließ sie ihr Männchen gewähren. Von unserer Seite mischte sich ein
Geschwisterpaar drüben unter die Hochzeitsgäste. Blonde Schulkinder, die
streng zurückgepfiffen wurden. Die Tochter, eigene Bedeutung suchend, eilte
herbei und wurde dafür nicht beachtet, der Sohn kam verschleppend. Ein
blonder Vater beugte sich gegen ihn hinunter, aggressiv mit schmalem Blick
und angelegten Ohren als hätte der Junge von dort, von den Senkrechtstartern
etwas mitgenommen und nun bei sich, was ihm, dem Vater, Angst machte. Unser Apfelkuchen kam,
ein Stück von der Größe einer Postkarte für sechs Mark. Er schmeckte nach
Blei und Glitsch, war vor Tagen gebacken und mehrfach aufgetaut worden. Das
Männerpaar hatte ihn mit Sahne bekommen, Sahne aus der Spritzdose. Eine versehentlich
gelandete Ringeltaube warf drüben ein paar leerstehende Gläser um. Die ersten
gingen. Ein sich beim Sprechen mit Luft aufpumpender Mann, entließ zwischen
Wortsilben aufstoßend seinen Atem in das Gesicht seines Zuhörers als Ausdruck
eigener Bedeutung. Sonst passierte nichts. Kein aufsteigendes Lachen, kein
anschwellendes Reden, kein Ausdruck von Freude entstieg ihren Hüllen. Darüber die ineinander verschlungenen Lindenkronen vor
einem der schönsten Ausblicke Hamburgs. Den Kuchen konnten wir zurückgehen
lassen. Der Ober entschuldigte sich und servierte weitere Portionen davon am
Nebentisch. Nichts paßte zusammen. Alles stimmte. Unter uns, in der Elbe,
ging die Kultur gerade den Bach hinunter. X X
X X X
X X Schuld allein ist nur der
Feminismus Was sie an ihrem Rivalen Roland Koch
irritierend finde, ist Angela Merkel gefragt worden. Daß er so gut kochen
könne, antwortete sie und machte dazu ihren meuchlerischen Augenaufschlag;
der war sogar im Radio zu hören. Diese Frau ist nicht mehr aus dem Rennen zu
nehmen. Gerhard Schröder möchte sie ins Bundespräsidentenamt wegloben, wie
mancher CDU/CSU-Mann auch. Das wird keinem gelingen. Zwei Jahre vor der
Bundestagswahl können wir das Ergebnis ankündigen: die neue Bundeskanzlerin
wird Angela Merkel heißen. In Scharen werden enttäuschte SPD- und
Grüne-Wählerinnen dieser Frau ihre Stimme geben und damit ungern doch
unvermeidlich der CDU/CSU. Die Rot-Grün-Regierung
hat ihr emanzipatorisches Programm sechs Jahre lang nicht ernst gemeint und
verspricht zum Ende hin wie am Anfang Ganztagsschulen. Von den Frauen
verlangen SPD und Grüne so ziemlich alles, gegeben wurde fast nichts. Bloß
ein erhöhtes Kindergeld. Die versprochene Ganztagsbetreuung fehlt, die
Arbeitsplatzförderung für Frauen wurde nicht eingelöst. Das für Frauen
schlechte Ehegattensplitting ist geblieben. Deutsche Frauen sollen Kinder
bekommen und mit diesen Kindern mittags nach dem Essen Schularbeiten machen,
sie sollen ihre alten Eltern und Schwiegereltern pflegen, und sie sollen im
Beruf flexibel bleiben, heute Nürnberg und im nächsten Jahr Kiel, ihre Alten
und ihre Kinder im Gepäck. Da kann eine Frau doch gleich CDU/CSU wählen und
tut damit noch etwas für die Selbstverwirklichung wenigstens einer Frau,
ausgerechnet der Frau, die den Patriotismus predigt. Zu deutsch:
Vaterlandsliebe. taz-Schlagloch 5. Januar 2004 © Viola Roggenkamp Angela Merkel wird die stolze Mutter einer
stolzen deutschen Nation werden, an ihrer Brust trägt sie den Orden „Opfer
des DDR-Faschismus“, und damit macht sie die Mehrheit im deutschen Westen
glücklich, und die Mehrheit im deutschen Osten auch, denn die Mehrheit war ja
immer dagegen. Sie selbst ist keine Mutter. Das macht nichts. Kinder für die
Kanzlerin wird es heißen, und das wird die schlimmste Strafe für den
deutschen Feminismus sein. Die linken Männer werden die Rückkehr zu den
fundamentalistischen Werten des Patriarchats begrüßen: Kinder, Kirche,
Fitness-Keller. Denn Schuld hat doch eigentlich der Feminismus. Wer sonst? Weil die Frauen sich unbedingt
selbstverwirklichen müssen und andauernd abtreiben, darum haben wir heute das
Loch im Rententopf, die hohe Frauenarbeitslosigkeit, die Verblödung der
Schulkinder, die wachsende Gewalt unter Jugendlichen und den seelisch und
körperlich völlig verstörten Mann. Die ganze deutsche Gesellschaft können
Frauen einem kaputt machen. Deutsche Politiker und Statistiker sehen ihren
demographischen Turm wackeln und stürzen, sie sprechen von einer
„sozialstaatlichen Katastrophe“, deren „Dynamik das Jahrhundertwerk des
Rentensystems“ zerstören wird. Das haben die Frauen schon geschafft. So
mächtig sind Frauen. Ein Kind in sich wachsen lassen und in die Welt bringen,
kann nur die Frau. Der Mann kann das nicht. Bevor der Mann noch seinen
eigenen Stammhalter gebastelt hat, ist er ausgestorben. Was ist da zu tun?
Ist da noch was zu tun? Können Frauen noch etwas daran ändern, oder sollen
wir uns aussterben lassen? Sehen wir auf unsere Geschichte. Das ist nie
verkehrt. Noch im 19. Jahrhundert galten Frauen als krank, die keine Kinder
hatten. Die Nazis führten 1933 eine Sondersteuer ein für Unverheiratete.
Später war diese Steuer auch von kinderlos gebliebenen Paaren zu zahlen.
Beamtinnen wurde automatisch gekündigt, wenn sie heirateten.
Ehestandsdarlehen waren für Frauen gebunden an ein Beschäftigungsverbot. Jede
Lehrerin war bei ihrem Eintritt in den Schuldienst nicht verheiratet und eine
Frau ohne Kind. Verbeamtet wurde sie erst ab ihrem 35. Lebensjahr. Hatte sie
bis dahin kein Kind, würde sie keines mehr bekommen, davon ging man aus. Da
sie aber nun unverheiratet und kinderlos war, hatte eine Lehrerin keinen
Anspruch auf eine Lehrerdienstwohnung. Unter der Last von Weltwirtschaftskrise und
Massenarbeitslosigkeit galt die emanzipierte Frau, die „ihre natürliche
Bestimmung verraten“ hatte, als entartet. Journalisten schrieben es,
Politiker sprachen es aus, an den Stammtischen wurde es begossen. Und die
damalige deutsche Frauenbewegung gab in dieser Vor-Nazizeit ihre besten und
mutigsten Frauen auf, darunter auch Jüdinnen. Andere Frauenrechtlerinnen
fanden sich, die dem neuen deutschen Ton entsprachen. Das wird sich nicht wiederholen. Aber manches ist
geblieben. Frauen, nicht Männern, wird der Vorwurf gemacht, es würden zu
wenig Kinder geboren. Gefragt wird in Untersuchungen, ob die Emanzipation der
Frau schuld sei. Hinsichtlich der Männer wird bloß erwogen, ob Umweltgifte
ihre Zeugungsfähigkeit beeinträchtigt haben könnten. Mehr nicht. Frauen
werden immer gefragt, ob sie Kinder haben. Dagegen erfährt man über Männer
des öffentlichen Lebens (auch in dieser Zeitung) nur etwas über den Vater:
Sohn eines westfälischen Sparkassendirektors. Und nie ein Wort über die Mutter.
Sohn einer westfälischen Hausfrau. Das ist doch nichts. Neun Monate
Schwangerschaft, Tag und Nacht für dieses Kind dazusein, fünfzehn bis zwanzig
Jahre Zuwendung und Arbeit. Das ist nichts. Dreieinhalb Minuten Zeugung. Das
ist es. Was sind Zuwendung, Versorgung und Verläßlichkeit gegen das Sperma
eines Sparkassendirektors? Die beiden beliebtesten und mächtigsten
Fernsehfrauen Deutschlands, die Talkmasterinnen Sandra Maischberger und
Sabine Christiansen, haben zwar einen Mann, jede ihren eigenen, jedoch kein
Kind. Das wird öffentlich regelmäßig benörgelt, damit das deutsche Mädchen
lernt, beruflicher Erfolg kann für eine Frau nie die Erfüllung sein. Eine
Frau ohne Kind ist entweder egoistisch oder eine tragische Figur. Angela
Merkel selbstverständlich ausgenommen. Es gab schon immer Frauen, die kein
Kind bekommen konnten, und es gibt Frauen, die kein Kind haben aus
individuell unterschiedlichen Gründen. Erleben wir zur Zeit einen
Gebärstreik? Ach wo. Es fehlen bloß Kindergärten und Ganztagsschulen. Und vor
allem fehlen Männer, die Väter sein wollen. Nur wenige Männer sind bereit,
mit der Frau mitzuwachsen. Es gibt zunehmend tüchtige, im Beruf erfolgreiche
junge Frauen, die ein Kind wollen, aber nicht allein, wie ihre feministischen
Mütter, sondern mit Mann und zu gleichen Teilen. Bloß finden sie keinen, der
das auch so will, der mehr will als Spaß, Sex, Spaß. Die Frau ohne Kind bestätigt nur, was ihr nahezu
jeder Vater vorlebt: die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf in der
deutschen Gesellschaft. X X X X
X X X Das Alter ist im
Kommen Früher nachmittag, und
ich muß zum Supermarkt. In meinem Korb klappern leere Joghurtgläser. Vorher
noch rasch zur Bank, zum Geldautomaten. Ich öffne die Tür mit meiner
Scheckkarte, und mit mir will eine junge Frau sich in den engen Raum
hineindrängen. Was sie für cool und locker hält, ist plumpe Distanzlosigkeit,
mit der will sie mich ältere Frau übertölpeln und an die Wand drücken. Sie
könne sich doch schon mal ihren Bankauszug holen. Ich sage: Nein. Sie warten
gefälligst draußen, bis ich hier fertig bin. In ihren Augen kalte Wut auf
mich, die Ältere, die Mutter-Frau. Ich nehme mir meine Zeit. Nicht mehr,
nicht weniger. Ich überprüfe die Anzahl der Banknoten. So ein Automat kann
sich schließlich auch mal irren. Vorm Supermarkt, gleich am Eingang, werde ich artig von Hinz und Kunz begrüßt. Schönen, guten Tag! Hinz und Kunz ist
etwas sehr Lobenswertes, nämlich die Obdachlosenzeitung von Hamburg, ich kann
es jedoch nicht leiden, wenn ich geradeaus zum Container für leere Flaschen
will und von links mich ein junger, großer Mann mit blondem Lächeln
notdürftig ansaugt, damit ich ihm eine Spende gebe. Ich will jetzt nicht gut
sein, ich muß meine auf dem Küchentisch liegengebliebene Einkaufsliste
memorieren und fühle eine Hitzewelle in mir aufsteigen, bestimmt habe ich was
Wichtiges vergessen: Milch, Honig, Butter, Knoblauch, Kartoffeln, Zwiebeln,
Tee, Parmesan und was noch? taz-Schlagloch 24. März 2004 © Viola Roggenkamp Vor mir am Gemüsestand eine kleine Alte in
abgewetztem Mantel mit krummen Beinen und eisgrauem Haar. Ich sehe ihr beim
Klauen zu. Zwei Knoblauchknollen steckt sie ein und ein Fläschchen mit frisch
ausgepreßtem Orangensaft. Sehr vernünftig, alles sehr gesund. Sie ist
vielleicht nur zehn Jahre älter als ich, sieht aber schlecht aus. Ich nicke
ihr verschwörerisch zu. Überrascht lächelt sie, sofort verjüngt sich ihr
Gesicht, und sie nimmt sich noch einen Apfel. Besorgt beginne ich ein
Gespräch mit der Filialleiterin. Die kleine Alte entwischt derweil. Wir
älteren Frauen müssen zusammenhalten. Vielleicht war sie doch schon an die
70, womöglich Mitte 70. Aber flink auf den Beinen. Den schweren Korb
überm Arm, in der andern Hand zwei Kilo Apfelsinen, so verlasse ich eine
Viertelstunde später den Supermarkt und werde auf der Straße von einem Mann
nach Kleingeld gefragt. Ein Bettler, viel jünger als ich. Mir tut der Rücken
weh, mein einer Fuß schmerzt, ich hätte die schwarzen Pumps nicht anziehen
sollen, aber Rock mit Joggingschuhen, das sieht schrecklich unelegant aus. Sehen Sie nicht, sage
ich zu ihm, daß ich beide Hände voll habe? Wie soll ich jetzt mein
Portemonnaie für Sie herauskramen? Er zuckt die Schultern. Wenn Sie mir das
nach Hause tragen, und dabei hebe ich meine schwere Last etwas an, dann gebe
ich Ihnen zwei Euro, ich wohne hier gleich um die Ecke im vierten Stock. Er
schüttelt den Kopf. Er will einen Euro umsonst, nicht zwei Euro fürs Schleppen.
Dann eben keinen Euro von mir. Offenbar kann er sich sein täglich Brot
leichter zusammenbetteln. Richtig, ich brauche noch Brot. Vor dem Bäcker der
nächste Bettler. Er hält mir sein Plastikbecherchen hin und deutet stumm auf
seine vier Köter, die wohlgenährt auf einer Wolldecke liegen und mich
beäugen. Ich gebe nur älteren Frauen, sage ich, das habe ich so eben
beschlossen. Je älter ich werde,
desto sicherer bin ich mir über das, was ich will. Ich gehöre zu der
Generation, die länger lebt als sich das die Rentenpolitiker vor dreißig
Jahren so dachten. Ich bin da, mich gibt es, ich will noch lange mitreden.
Auf dem Bürgersteig zischen junge Baseballmützenträger auf ihren Fahrrädern
an mir vorbei. Ich muß aufpassen. Sie nicht. Jedem werde ich meinen eisernen
Krückstock zwischen die Fahrradspeichen halten. Ich werde eine biestige Alte
mit einer harmlos aussehenden sogenannten Gehhilfe. Ich sehe die Helden über
die Lenkstange ihres Mountainbikes stürzen, die Jogger, die mich rüde
anrempeln, denen ihr Tempo wichtiger ist als meine Unversehrtheit, erschlage
ich von hinten, und dem Auto, das mir gerade eben an der kleinen Querstraße
um ein Haar über die Pumps gerollt wäre, verpasse ich eine lange, tiefe
Kratzspur. Alte Kuh! Eine junge Frau sitzt am Steuer und beschimpft mich
durch ihr offenes Seitenfenster, weil ich um ein Haar an diesem Nachmittag
ihr Verkehrsopfer geworden wäre. Ich durchsteche mit der Stahlspitze meines
eisernen Krückstocks ihren Hinterreifen, und vor Gericht werde ich
freigesprochen, ich bin nämlich eine alte Frau und nur ein bißchen meschugge.
Die Richterin nickt mir freundlich zu, das muß sie auch, immerhin hat sie es
mir zu verdanken, daß sie da oben sitzt. Ich bin eine uralte Feministin. Ohne
mich säßen die jungen Dinger weder hinterm Steuerrad ihres eigenen Autos noch
in irgendeiner Position, sondern unter seinem Klingelknopf, in seiner
Einbauküche, unter seiner Stehlampe. Das Alter ist im
Kommen. Große Aufgaben liegen vor uns. Wir brauchen eine neue Frauenbewegung,
wir brauchen den Aufstand der alten Frauen. Wir leben am längsten, wir sind
wichtig. Jung sind Frau und Mann in unserer Gesellschaft doch nur die ersten
30 Jahre, und davon bloß das dritte Jahrzehnt in geschäftsfähigem Zustand.
Danach beginnt das Alter. Wirtschaft und Werbung
müssen wir umerziehen, mehr alte Filme ins Fernsehen, zurück zur Kultur,
zurück zur Nachdenklichkeit und zum Zuhören. Breitere Bürgersteige für uns
Alte, mehr Fahrstühle, kein Bahnhof ohne Gepäckträger, kein Fahrplanaushang
ohne beigefügte Leselupe, Bankkredite auch für 80jährige, keine Altersgrenze
bei Stipendien und Förderpreisen. Wir Alte haben Ideen, geben Geld aus,
konsumieren, nach uns muß man sich richten. Aber wieso ist das Alter auf
einmal im Kommen? Wem haben wir diese unerwartete Wertschätzung zu verdanken?
Natürlich dem Mann, dem alternden Mann. Auf die Frauen hört ja keiner. Der alternde Mann
leidet. Sein Jugendlichkeitswahn bringt ihn zur Strecke. Alt, so glaubte der
Mann noch bis gestern, alt werde nur die Frau, vor allem seine Frau. Doch
seine Frau wird immer jünger. Bereits die dritte und erst recht die vierte
könnte seine Enkelin sein. Der alternde Mann schluckt Potenzmittel, läßt sich
Kalbshormone in den Hintern und ins Hirn jagen und rasiert sich den Kopf,
damit die grauen Haare nicht zu sehen sind. Die junge, attraktive Frau an
seiner Seite, sie, die ihn noch einmal Vater werden läßt, sie macht ihn
furchtbar alt. Und das ist doch schön von ihr, denn sie ist die junge
Rächerin der alten Frauen. X X
X X X
X X Immer bereit! (Pionier-Gruß) Und wann gibt
es nun den Mißtrauensantrag? Läßt Angela Merkel jetzt Gerhard Schröder
stürzen? Werden SPD und Grüne bald wieder auf der Oppositionsbank sitzen
dürfen? Oder müssen wir mit ihnen noch zwei Jahre durchhalten bis zur
Bundestagswahl? „Nach menschlichem Ermessen“, sagt Angela Merkel,
„sollte man erst einmal damit rechnen, daß wir zumindest nicht die Mehrheit
haben, um die Mehrheit zu stürzen.“ Allerdings, sie sei „jederzeit bereit,
Verantwortung zu übernehmen“, würde aber „die Oppositionsarbeit lieber auf
die Klärung von Sachfragen konzentrieren, als jeden Tag darüber nachzusinnen,
ob wir nun irgendwie ‘ne Mehrheit, die wir nicht haben, einsetzen können,
aber wenn es so wäre“, jederzeit bereit sei sie, „den Schlüssel dazu haben
nicht wir in der Hand, den hat die Regierung“. Immer bereit. Das ist Angela Merkel. So kennen die
CDU-Männer sie: Kohl, Rühe, Merz, Schäuble. Sie war immer bereit, selbst Hand
anzulegen. Doch jetzt? Wer macht ihr das jetzt? Wer stürzt ihr Gerhard
Schröder? Sollen die SPD-Frauen den Bundeskanzler zur
Vertrauensfrage zwingen und damit ausgerechnet der CDU-Frau den Weg ins
Kanzleramt ebnen? Das Gift erlittener Demütigungen wirkte stets lähmend auf
SPD-Frauen, doch die Reihe der nach Rache dürstenden Klageweiber ist schier
endlos: Inge Wettig-Danielmeier, Anke Fuchs, Herta Däubler-Gmelin, Ingrid
Matthäus-Müller, Renate Schmidt, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Christa
Randzio-Plath und, ach, aber ausgerechnet für die CDU-Parteivorsitzende einen
Genossen killen? Was weiß denn Angela Merkel von Solidarität? taz-Schlagloch 8. April 2004 ©Viola
Roggenkamp Sie wird der erste Bundeskanzler als Frau. Und Deutschlands
Bundespräsident ist ein Finanzberater, ein Sparkassenpräsident, ein Direktor
der Währungsunion, kurzum ein Mann, der gewohnt ist, nicht viele Worte zu
machen, sondern mit gespitztem Bleistift Zahlen zu addieren. Zusammen wächst
da, was zusammengehört. Sie wird ihm sagen, was er sagen soll; das Mädchen
aus dem roten Osten. Sie hat ihn hochgebracht, er wird sie nach vorn bringen.
Vereinigung auf höchster Ebene. Horst und Angela, zwei deutsche Demokraten,
paarweise, bescheidenes Grau, jeder seine Aktentasche. Schneller, schlanker, effizienter wünscht Köhler
sich die Firma Deutschland, vorwärts und stets vergessen. Er weiß wie das
geht, er hat Rechnen noch in der DDR gelernt. Genau wie sie. Dem Westen
fehlte der Osten. Das sieht man jetzt. Die Frauen im Westen haben alles falsch gemacht.
Immer die linken Männer retten wollen, immer zeigen wollen, das frau auch als
Frau - ja? Was denn? Na? – Na, also. Das überlaßt jetzt mal Angela Merkel.
Laßt doch endlich mal diese Frau nach vorn, die hat den Willen zur Macht. Hat
man das gesehen, wie sie neulich Helmut Kohl springen ließ? Zum Auftakt des
Europawahlkampfes nahm sie ihn bei den Hörnern. Springen ist vielleicht
unpassend, der Mann ist völlig aus dem Leim gegangen. Im Fernsehen zeigten
sie es mehrfach, immer dieselbe Situation, obwohl die schon längst vorbei war
und im wirklichen Leben nur einmal passiert ist, doch im Fernsehen immer noch
mal. Sein Schnaufen und wie er nach Luft rang, seine herausquellenden Augen,
seine schweißnasse Haut. Ich sah es im Hotelzimmer. Ich war auf Reisen. Im
Hotel stelle ich immer als erstes den Fernseher an. Ich habe zu Hause keinen
mehr. Im Hotel will ich sehen, ob das Programm noch immer so schlecht ist.
Schlechter. Es ist noch schlechter geworden. Talk-Show, Krieg-Show, Container-Show,
Porno-Show. Helmut Kohl, schwitzend, dampfend, kurzatmig, noch kurzatmiger
als einst Franz-Josef Strauß, Helmut Kohl mit schwergängiger Zunge am
Mikrophon, darunter die beflissen vorgereckten Hände von Angela Merkel:
Applaus! Applaus! Und nach ihm sprach sie. Sie schien nicht in bester Form,
irgendwie aufgedunsen. Die Politik macht was mit den Leuten. Hat man schon mal einen Politiker gesehen, der an
der Macht dünner geworden ist? Angela Merkel hat auch zugenommen, noch vor
ihrer Kanzlerschaft mehrere Pfunde. Nur Westerwelle nimmt nicht zu, immer
flink, immer hastig hechelnd. Trinken die Leute zu viel? Werden sie zu viel
herumgefahren? Müssen sie so viel Platz einnehmen? Schlucken sie zu viel
hinunter? War es nötig, Hans Filbinger an dieser Bundespräsidentenwahl
teilnehmen zu lassen? Wie oft hat die SPD das schon geschluckt, schon
fünfmal. Als Marinerichter der Nazis ließ Filbinger in den letzten Tagen vor
Kriegsende noch Todesurteile aufsetzen und ausführen, wegen kleinster
Vergehen, zum Beispiel wegen Mundraub. Wer mochte davon all die Jahre gewußt
haben? Viele Männer und Frauen. Deutsche Geschichte, das sind die Geschichten
vieler Menschen. Endlich schrieb die Presse darüber und Filbinger mußte als
Ministerpräsident zurücktreten. An Bundespräsidentenwahlen nahm er weiter
teil. Warum empörten sich SPD und Grüne darüber diesmal? Warum nicht
jedesmal? Aber nun gut, wenigstens diesmal. Warum also Hans Filbinger? Warum Michael Stich?
Warum Jette Joop? Warum Gloria von Thun und Taxis? Stich natürlich wegen der
Sportler und Wolfgang Joops Tochter wegen der jungen Karrierefrauen, Gloria
von Thun und Taxis wohl wegen der Taxifahrer und Filbinger doch
wahrscheinlich, damit sich die alten Nazis repräsentiert fühlen konnten, und
die jungen Nazis auch. Angela Merkel fand das völlig in Ordnung und konnte
die Empörung über die Teilnahme des 90jährigen ehemaligen NS-Richters an der
Bundespräsidentenwahl gar nicht verstehen. Deutschland sei „ein
Land mit einem hohen Bedarf an Harmonie“, hat Frau Merkel erkannt. „Aber die
Einigung ist kein Wert in sich. Wenn man sich auf das Falsche einigt, kann
sich die Sache wieder nach hinten bewegen.“ Und da steht Guido Westerwelle.
Mit ihm hat sich Angela Merkel auf Bundespräsident Köhler geeinigt, den wir
nicht mehr bloßstellen dürfen, weil ihn nun das höchste Amt bekleidet. Aber
gegen Westerwelle dürfen wir noch. Der wird Deutschlands Außenminister,
sobald Angela Merkel Kanzlerin ist. Das muß man sich mal vorstellen. Kann
sich das außer Westerwelle überhaupt jemand vorstellen? X X
X X X
X X Der Mann
in der Lücke Nur ganz früh
morgens, wenn die Pädagogen in die Schule müssen, oder ganz spät abends, wenn
die Karrieristen ihre In-Lokale endlich verlassen, bekomme ich einen
Parkplatz in meiner Straße. Sonst nie. Gestern mittag mußte es aber sein.
Mein Wagen war vollgepackt mit Wein und Mineralwasser. Ich erwartete vier
Freundinnen zum Essen und Diskutieren. Es sollte Lammkoteletts an
Kartoffelpüree mit frischem Pesto geben. Unser Thema würde diesmal die Frage
sein: „War Anna Freud lesbisch?“, und kein Parkplatz vor meiner Haustür oder
auch nur in der Nähe. Ich
fuhr die Straße langsam suchend ab und entdeckte einen Mann, Ende zwanzig,
vielleicht Anfang dreißig, der in seinem geparkten Auto hinterm Steuerrad
saß. War er gerade gekommen? Würde er wegfahren? Ich hupte fragend. Er
reagierte nicht. Sein Fenster war heruntergelassen. Sein Arm hing heraus.
Nach intensiver Anstrengung, mich bemerkbar zu machen, wandte er sich mir mit
dem Ausdruck völliger Überraschung zu, hob die Augenbrauen, öffnete breit die
stählernen Kinnladen und schüttelte schmerzlich grinsend seinen Kopf. taz-Schlagloch 13. September 2000 © Viola Roggenkamp Es soll inzwischen Menschen geben, die in ihrem Auto
sitzen, um den Parkplatz zu genießen, den sie sich erobert haben. Dieser Mann
hier, der sich betont unverkrampft gab, wirkte schwer gereizt. Ein großer
Junge mit Stoppelkopf in einem teuren, schnellen Auto. Da ich nicht wegfuhr,
sondern den Motor abstellte, um auf seinen oder einen anderen Parkplatz zu
warten, stieg er langsam aus. Teure Knitterware umhüllte seinen trainierten
Körper. Er rollte die Schultern, warf einen ernsten Blick ins Autoinnere und
ging prüfend um den Wagen herum. Mit der Fußspitze tippte er gegen eine
Radkappe, sah dann auf und hinweg über mich in meinem Wagen. Er schien auf
jemanden zu warten und würde also aller Voraussicht nach demnächst wegfahren.
Ich machte es mir bequem und dachte an Freuds Tochter. „Anna Freud“, schreibt der Psychiater Uwe Henrik
Peters, „hätte die große Mutter oder die große Lesbierin ihres Jahrhunderts“
sein können. Wieso nicht beides? Menschen werden so einseitig wahrgenommen,
wie man sie (unbewußt) wahrnehmen will. Zum Beispiel entwickelte der
dynamische Junge vor meiner Windschutzscheibe auf einmal einen
Sauberkeitsfimmel, wie er selbst ihn wahrscheinlich nie sich, sondern nur
Hausfrauen unterstellt haben würde. Er war vor seinem Kofferraum stehen geblieben, mit
offenem Jackett, die Hände in den Hosentaschen, bückte er sich über die
Heckklappe seines Autos und legte dabei den Kopf schief. Auf diese Weise
konnte er im Licht der dunstigen Septembersonne den Lack seines Wagens besser
prüfen. Er hatte etwas entdeckt. Auf dem Lack. Ganz deutlich. Etwas, was da nicht hingehörte. Er zog seine linke
Hand aus der Hosentasche und tupfte mit dem Zeigefinger auf das Etwas auf dem
Lack. Dem Etwas hatte die Berührung seines Fingers offenbar nichts anhaben
können. Er überprüfte die Sachlage, gebückt mit schräg gelegtem Kopf. Ja. Der
kleine Fleck war noch da. Er steckte, ohne den Blick von dem Etwas zu wenden,
seinen Zeigefinger in seinen Mund und versuchte es mit Spucke. Das Etwas war
weg. Er war zufrieden. Er sah auf und war unzufrieden. Ich war immer noch da.
Er ging um den Kofferraum herum, öffnete die vordere Wagentür und beugte sich
ins Autoinnere. Das Innere seines Wagens ist der Innenraum des
Mannes. CD-Halter, Handy-Halter, Bierflaschen-Halter und darüber trottelte
ein Amulett am Rückspiegel. Einsteigen und weg, hinaus in die Welt. Aber
nein. Er konnte nicht weg. Er mußte den Parkplatz hier halten. Sein unter
hellem Knittertuch verborgener Hintern schob sich aus dem Autoinnern. Dann
warf er die Wagentür zu. Nicht ohne vorher noch seinen Kopf herausgezogen zu
haben. „Als große Mutter“ werde Anna Freud nicht gesehen,
hatte der Psychiater in seinem Aufsatz geschrieben, obwohl sie sich ihr
ganzes Leben als Kinder- und Jugendanalytikerin „um das beste Wohl unendlich
vieler Kinder“ bemüht habe. „Als Lesbierin nimmt man Anna Freud nicht wahr,
obwohl sie über fünfzig Jahre lang mit ihrer Freundin Dorothy Burlingham
unter einem Dach“ lebte. Das ist wahr. Allerdings wechselten die Dächer,
unter denen die beiden Frauen von 1926 bis zu Dorothys Tod 1979 zusammen
waren. Das erste Dach, war das Dach von Mutter und Vater Freud. Anna zog mit
ihrer Dorothy ein Stockwerk höher, über der elterlichen Wohnung ein. Keine
der beiden Frauen putzte. Sie hatten Personal. Der Mann schien mit
dem Putzen seiner Heckklappe fertig zu sein. Aber da er sich gerade zufrieden
aufrichten wollte, entdeckte er ein anderes Etwas, das dem ersten glich.
Wieder steckte er seinen Zeigefinger in seinen Mund. Wieder betupfte er das
Etwas mit seiner Spucke. Er hielt prüfend inne. Seine Spucke machte auf dem
Lack einen eigenen Fleck. Der Mann sah es. Ein Fleck mit Rand. Das war gar
nicht gut, das war überhaupt nicht gut für den Lack. Er richtete sich auf,
steckte seine Hände in die Hosentaschen und reckte das Kinn vor, gen Himmel.
So, nach oben blickend und den Kopf etwas in den Nacken gelegt, konnte er
besser in seinen Hosentaschen suchen. Er suchte nach einem Taschentuch. Er
hatte keines bei sich. Wieso hatte er keines bei sich? Er hatte keines mehr bei sich, seitdem er
bei seiner Mutter ausgezogen war. Er prüfte wieder den Lack in Schräglage und nahm den
Zipfel seiner Krawatte, um den Spuckefleck samt Rand von seinem Auto zu
entfernen. Mit vorgewölbtem Fischmaul hauchte er auf das lackierte Hinterteil
und polierte dann rasch und tiefgebückt nach. Auffallend tiefgebückt. Das lag
an der Länge seiner Krawatte, die ihn dazu zwang, seiner Hand und dem
polierenden Krawattenzipfel mit vorgestrecktem Kinn folgen zu müssen. Er
hatte seinen Kopf an der Leine, die eine Krawatte war, und diese Krawatte
machte das Etwas weg. Er richtete sich auf und strahlte. Auch ich war
weitergekommen in meinen Überlegungen. Anna Freud starb sechsundachtzigjährig
im Oktober 1982, ohne über ihre Lebensbeziehung mit Dorothy
Tiffany-Burlingham je eindeutig Auskunft gegeben zu haben, was nicht
unbedingt dafür sprechen mußte, daß es keine lesbische Beziehung war. Ihn in
seiner Parklücke hatte ich beim Denken nicht vergessen. Er mich auch nicht.
Er sah auf meinen eingebeulten Wagen, schlank geworden in Jahren wachsender
Parkplatznot. Ich sah, daß er telefonierte, den Blick gegen den Horizont
gerichtet, wie bei der Befriedigung eines nicht öffentlichen Bedürfnisses.
Da kam sie schon in ihrem Wagen, für die er den
Parkplatz freigehalten hatte. Er rangierte sich heraus. Es dauerte, trotz
Servolenkung. Schnell fuhr er davon. Ich wartete, bis sie es aufgegeben
hatte, rückwärts einzuparken. Vorwärts ging es schon gar nicht. Langsam
rollte sie weiter. Frauen müssen rückwärts Walzer und Foxtrott tanzen. Wieso
sollten sie da nicht rückwärts einparken können? Ich nahm Maß und war drin. X X
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